„Tech-Heldin“: Gründerslam-Gewinnerin Katharina Kreitz im Interview

aktualisiert am 20. Oktober 2023 9 Minuten zu lesen
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Katharina Kreitz, CEO von Vectoflow und Siegerin des Tech-Helden-Slams 2017 in Offenbach, erzählt im Interview mit firma.de von ihrer innovativen Geschäftsidee und ihrem aufregenden Weg als Gründerin.

Auf dem Tech-Helden-Slam setzte die junge Unternehmerin Katharina Kreitz sich gekonnt unter mehr als 50 Teilnehmern durch. Ihre in München beheimatete Firma Vectoflow hat sich auf die Herstellung von individuell angepassten Messsonden im 3D-Druck sowie dazugehörige Dienstleistungen und Software spezialisiert. Bereits kurz nach der Gründung gewann Vectoflow namhafte Kunden, darunter Siemens, Audi Sport und die University of Bath.

firma.de: Frau Kreitz, Sie hatten in Ihrem Slam-Pitch erzählt, dass Sie von schlechten Erfahrungen mit anderen Messsystemen zu Ihrer Gründung inspiriert wurden. Wie hat sich dies in Ihrer Produktentwicklung widergespiegelt?

Kreitz: Unser Team hatte zuvor für andere Firmen gearbeitet, unter anderem NASA, BMW und Airbus. Dabei hatten wir mit Sonden von Konkurrenzfirmen arbeiten müssen, die zu groß waren für die Messungen, die wir durchgeführt hatten. Durch die Größe der Sonden wurden die Messergebnisse verfälscht. Außerdem waren die Sonden sehr fragil, weil sie aus mehreren kleinen Teilen bestanden. Oft gingen die Sonden bereits beim Einbau kaputt oder blieben nicht an der vorgesehenen Stelle haften. Die Sonden waren teuer, fragil und nicht anwenderfreundlich, sodass wir auf die Idee kamen, diese durch 3D-Druck auf den jeweiligen Anwendungsfall anzupassen. So ist es uns möglich, die Sonden aus einem Guss zu produzieren, wodurch sie besonders robust sind. Weil wir beim 3D-Druck flexibler in der Formwahl sein können, sind wir dazu in der Lage, schmälere und kleinere Modelle herzustellen.

Sie erwähnten im Slam, dass Sie Fan der Formel 1 sind. Wie hat das die Produktentwicklung beeinflusst?

In der Formel 1 ist es wichtig, dass Messsonden sehr leicht sind. Dort werden vor allem Titansonden eingesetzt. Auch hier müssen sie sehr robust sein, weil sie schnell ein- und ausgebaut werden müssen. Diese Erkenntnis war uns bei der Produktentwicklung sehr behilflich.

Sie wenden zur Herstellung Ihrer Messsonden das 3D-Druck-Verfahren an, das in Deutschland noch nicht so weit verbreitet ist. Wie kam es dazu?

Wir suchten ein Herstellungsverfahren, das uns eine hohe Flexibilität bei der Formgebung ermöglicht, was beim 3D-Druck gegeben ist. Auch die Möglichkeit, diverse Materialien zu verwenden, spielte dabei eine Rolle. Da unser Sitz in München ist, hatten wir den Vorteil, dass der aktuell erfolgreichste Hersteller von 3D-Druckern, EOS, dort ebenfalls seinen Sitz hat. So kam dann nicht nur eine Kooperation zustande, seit zwei Jahren investiert AM Ventures – die Holdingfirma von EOS – auch in Vectoflow.

Was sind die aktuellen Schwerpunkte von Vectoflow?

Eines unserer aktuellen Projekte ist unsere Arbeit mit Drohnen, für die wir kleine Air Data Computer herstellen, die mithilfe unserer Sonden die Luftströmung messen und im Anschluss die Daten (Anströmwinkel, Druck, Geschwindigkeit) direkt an die Drohne weitergeben. Die Daten werden direkt zur Kontrolle der Drohne eingesetzt. Des Weiteren bauen wir derzeit als einziger Hersteller im 3D-Druck-Verfahren Sonden aus Keramik, die bei Hochtemperatur-Anwendungen (bis zu 1500-1800 °C) eingesetzt werden können. Weiterhin bauen wir Sonden speziell für hochturbulente Strömungen.

Sie haben mit sechs Festangestellten, mehreren Werkstudenten und Praktikanten ein kleines, überschaubares Team. Wie würden Sie Ihre Unternehmenskultur beschreiben?

Wir sind insgesamt ein sehr junges Team, unsere Mitarbeiter sind zwischen 20 und 38 Jahren alt. Die Unternehmensatmosphäre ist dank der flachen Hierarchien sehr offen und kooperativ. Bei Fragen und Problemen stehen wir unseren Mitarbeitern gerne zur Seite. Gerade die studentischen Mitarbeiter sind sehr interessiert, auch was Gründungsthemen betrifft. Wir versuchen, ihnen einen ganzheitlichen Eindruck von unserer Arbeit zu vermitteln, und sie über ihre regulären Aufgaben hinaus zu engagieren.

Was hat Sie zur Teilnahme am Tech-Helden-Slam bewegt? Inwiefern gestaltet sich ein Slam-Vortrag anders als ein “gewöhnlicher” Pitch?

Für mich war es angenehm, dass in der Jury für die finale Auswahl auch Menschen außerhalb meiner Branche vertreten waren. Das fand ich interessant, weil dadurch eine offenere Atmosphäre aufkam als bei einem regulären Pitch, wo es schließlich darum geht, eine Gruppe von Fachpersonen von der Geschäftsidee zu überzeugen. Durch das diversere Publikum war der Slam eine schöne Abwechslung für mich.

Dieses Jahr waren im Rahmen des “Girls’ Day” zehn Schülerinnen bei Ihnen zu Gast. Welche besonderen Herausforderungen gibt es für Gründerinnen, insbesondere im technischen Bereich?

Gerade in der Technik-Branche gibt es eher wenige Frauen, allerdings ist die Anzahl in den letzten Jahren gestiegen. Hier ist es von Vorteil, eher extrovertiert aufzutreten, womit leider viele Frauen Schwierigkeiten haben. Dann lassen sie sich leicht unterbuttern. Zum Glück nimmt die Tendenz in der Hinsicht ab. Für Gründerinnen im technischen Bereich ist es wichtig, sich nicht einschüchtern und unterkriegen zu lassen.

Sie arbeiten für Kunden, die sowohl aus dem Bildungssektor als auch aus der freien Wirtschaft kommen. Was ist der Unterschied zwischen deren Anforderungen?

Wir haben beobachtet, dass Kunden aus der freien Wirtschaft manchmal skeptisch reagieren, was neue Technologien betrifft. Meistens werden dort Arbeitsweisen bevorzugt, die sich seit Jahren etabliert haben. Oft zeigen wir bei Firmenbesuchen vielerlei Sonden um die Kreativität der Kunden anzuregen und sie von unserem Produkt zu überzeugen. Im Bildungssektor, unter anderem bei Universitäten, ist unsere Technologie oft schon bekannt, sodass man dort eher bereit ist, etwas Neues auszuprobieren. Bildungsinstitutionen sind tendenziell zu mehr Flexibilität bereit.

Welche Fehler haben Sie in Ihrer Anfangsphase gemacht, die Neugründer meiden sollten?

Auch wir haben – typisch Ingenieure – lange am Produkt gefeilt, um es zu perfektionieren. Wir hatten Glück, dass Kunden bereits in der Anfangsphase direkt auf uns aufmerksam wurden und wir die Entwicklung dann mit Ihnen zusammen durchführen und so auf deren Wünsche eingehen konnten. Kundenfeedback ist immens wichtig und daher ist es essentiell, schon früh mit potentiellen Kunden zu sprechen. Aber auch die Sicherung des Weiterbestehens nach unserem einjährigen Gründungsstipendium durfte nicht vernachlässigt werden. Daher haben wir uns bereits nach ca. einem halben Jahr mit potentiellen Geldgebern getroffen. Ich rate Gründern daher, den finanziellen Bedarf frühzeitig zu identifizieren und möglichst ein halbes Jahr im Voraus nach Investoren zu suchen. So kann sich ein Unternehmen finanziell absichern, ohne die Produktentwicklung zu gefährden. Früher Kontakt zu potenziellen Kunden – und das idealerweise schon vor der Gründung – ist auch sehr wichtig, um Feedback zu erhalten und einen Eindruck davon zu gewinnen, ob das eigene Produkt verkauft werden kann oder die Geschäftsidee noch verbessert werden muss. Man sollte nicht die einzige Person sein, die vom Produkt überzeugt ist.

Welchen Tipp möchten Sie Neugründern geben?

Denken Sie daran, dass Sie nichts zu verlieren haben! Mehr als Nein sagen können Ihre potenziellen Kunden und Investoren nicht. Sie werden nie wissen, ob Ihre Geschäftsidee funktioniert, wenn Sie sie nicht einfach ausprobieren. Es ist normal, beim Cold Calling nervös zu sein, und Prokrastination ist in der Hinsicht ein Hindernis.

Katharina Kreitz ist Geschäftsführerin der Münchener Firma Vectoflow. Sie erreichte auf dem Tech-Helden-Slam, der im Rahmen der Messe “Gründen Fördern Wachsen” 2017 in Offenbach veranstaltet wurde, mit ihrem Pitch den ersten Platz. Vectoflow hat sich auf die Herstellung maßgeschneiderter Messsysteme spezialisiert und berät Kunden diverser Branchen zu deren Nutzung und Anpassung.

Den vollständigen Nachbericht von firma.de zum Tech-Helden-Slam und der “Gründen Fördern Wachsen 2017 können Sie hier nachlesen.

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