Wann lohnt sich die Kleinunternehmerregelung direkt bei der Gründung?

Viele Gründer haben schon von der Kleinunternehmerregelung gehört: Steuern einsparen und vereinfachte Rechnungslegung. Das klingt nach Entlastung. Aber lohnt es sich immer, die Nutzung der Kleinunternehmerregelung im ersten Geschäftsjahr zu beantragen? Die Vor- und Nachteile im Überblick.

 

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Inhaltsverzeichnis

 

Was ist die Kleinunternehmerregelung?

Mit der Kleinunternehmerregelung nach § 19 Umsatzsteuergesetz (UStG) können Kleinunternehmer auf Ausweis und Abführung der Umsatzsteuer verzichten. Im Gegenzug dürfen sie den Vorsteuerabzug nicht in Anspruch nehmen.

Voraussetzung für die Nutzung sind Umsatzgrenzen: Der erwirtschaftete Gesamtumsatz darf im vorherigen Geschäftsjahr 22.000 Euro und im aktuellen Geschäftsjahr 50.000 Euro nicht überschreiten. Wer die Kleinunternehmerregelung beantragt, legt sich für mindestens fünf Jahre fest. Erst dann können Selbständige wechseln.

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Kleinunternehmerregelung: Besonderheiten bei der Gründung

Im ersten Geschäftsjahr denken viele Gründer daran, die Nutzung der Kleinunternehmerregelung direkt zu beantragen. Das ist natürlich möglich. Da es kein „vorheriges Geschäftsjahr” gibt, werden die Regeln der Umsatzgrenzen anders angewendet: Die Umsatzprognose für das aktuelle Jahr darf 22.000 Euro nicht überschreiten. Der Umsatz des zweiten Geschäftsjahres muss ebenfalls geschätzt werden und darf maximal 50.000 Euro betragen. Alle Schätzungen müssen für das Finanzamt glaubhaft sein.

Auch hier gilt: Wer bei Gründung die Kleinunternehmerregelung wählt oder auf sie verzichtet, bindet sich für fünf Jahre an diese Entscheidung.

Gründung während des laufenden Geschäftsjahres

Oft fällt das Gründungsdatum nicht auf den 1. Januar, sondern befindet sich mitten im Jahr. Wenn das Geschäftsjahr trotzdem dem regulären Kalenderjahr entspricht, d.h. zum 31.12. endet, muss die Umsatzprognose auf 12 volle Monate umgerechnet werden.

Umrechnungsbeispiel:

Beginn der Tätigkeit am 10.05.

Tatsächlicher Umsatz 10.05.-31.12.: 11.280 Euro

Umrechnung in Jahresgesamtumsatz nach Monaten: 11.280 Euro ÷ 8 × 12 = 16.920 Euro

Umrechnung in Jahresgesamtumsatz nach Tagen: 11.280 Euro ÷ 236 × 365 = 17.446 Euro

Ist der Jahresumsatz bei Umrechnung nach Tagen niedriger, dürfen Sie diesen Wert für Ihre Prognose nutzen (§ 19 Abs. 3 S. 4 UStG).

Was passiert, wenn meine Umsätze im Gründungsjahr / Folgejahr die Grenzwerte überschreiten?

Überschreitet eine Umsatzprognose einen der Grenzwerte, darf die Kleinunternehmerregelung ab dem darauf folgenden Jahr nicht mehr angewendet werden.

Ausnahme: Bei einer nachweisbar fehlerhaften Prognose entfällt die Kleinunternehmerregelung bereits für das Jahr, für das die Prognose abgegeben wurde. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn zum Zeitpunkt der Erstellung der Prognose klar ersichtlich war, dass die ans Finanzamt übermittelte Umsatzhöhe viel zu niedrig angesetzt war.

Wer trägt das Risiko der Umsatzprognose?

Das Unternehmen trägt das Risiko der zutreffenden Feststellung der Umsätze und Umsatzprognosen. Wenn z. B.  eine Betriebsprüfung ergibt, dass die entsprechende Umsatzgrenze überschritten war, findet eine rückwirkende Korrektur der Umsatzsteuerveranlagung statt. Gleiches gilt für die vorausschauende Prognose.

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Auswirkungen der Kleinunternehmerregelung

  • Ausweis der Umsatzsteuer in Rechnungen entfällt
  • Angabe der USt-IdNr. von Adressat und Empfänger in Rechnungen entfällt
  • Keine Anwendung der Vorschriften zum Vorsteuerabzug (§ 15 UStG)
    • Ausnahme: Innergemeinschaftliche Lieferung von neuen Fahrzeugen in das übrige Gemeinschaftsgebiet nach § 15 Abs. 4a UStG
  • Anwendung der Berichtigung des Vorsteuerabzuges (§ 15a UStG), z. B. wenn ein Unternehmen für eine Immobilie zunächst Vorsteuer abführt und danach aufgrund von Umsatzeinbrüchen die Kleinunternehmerregelung nutzt

 

Ausnahmen: Umsatzsteuer trotz Kleinunternehmerregelung

Obwohl man die Kleinunternehmerregelung nutzt, gibt es einige Geschäfte, bei denen trotzdem Umsatzsteuer anfällt:

  • Einfuhrumsatzsteuer (EUSt), da Kleinunternehmerregelung nur für inländische Umsätze gilt
  • Bei innergemeinschaftlichem Erwerb (bei Überschreiten bestimmter Erwerbsschwellen, Verzicht auf Anwendung oder Kauf neuer Fahrzeuge oder verbrauchsteuerpflichtiger Waren)
  • Bei Empfang von Leistungen nach § 13b Abs. 5 UStG (Bauleistungen, einschließlich Werklieferungen und sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen)
  • Als letzter Abnehmer bei einem Dreiecksgeschäft (§ 25b Abs. 2 UStG), da der mittlere Abnehmer die Steuerschuld überträgt

 

Missbrauch der Kleinunternehmerregelung

Liegt ein Missbrauch der Kleinunternehmerregelung vor, kann die Nutzung vom Finanzamt verweigert werden.

Die Finanzbehörde stellt eine zweckwidrige Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung beispielsweise bei mehrfacher Nutzung der Regelung fest. Eine Mehrfachnutzung liegt vor, wenn mehrere Gesellschaften nacheinander inhaltsgleiche Leistungen an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Leistungsempfänger erbringen oder Umsätze auf mehrere Unternehmen aufgeteilt werden. Im Falle eines Missbrauchs wird das Finanzamt trotz Einhaltung der Umsatzgrenzen eine Anwendung der Kleinunternehmerregelung verbieten.

 

Kleinunternehmerregelung: Pro und Contra

Pro Günstige Voraussetzungen Kunden sind überwiegend

  • Privatpersonen (B2C)
  • oder gewerblich, aber nicht vorsteuerabzugsberechtigt (z. B. Ärzte, Versicherungsvertreter)
Kostenvorteile
  • Geringer Verwaltungsaufwand
  • Niedrigere Steuerberaterkosten
Contra Ungünstige Voraussetzungen
  • Kunden sind überwiegend gewerblich und vorsteuerabzugsberechtigt (B2B)
  • Viele gewerbliche Einkäufe im Ausland
  • Häufige Nutzung von Dienstleistungen ausländischer Anbieter
  • Häufige Nutzung von Leistungen nach §13b UStG
Kostennachteile
  • Höhere Betriebsausgaben
  • Volle Umsatzsteuer auf (Anfangs-)Investitionen

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Hilfe bei der Entscheidung

Eine Entscheidung zu treffen, die Ihr Unternehmen für die nächsten fünf Jahre bindet, ist nicht einfach. Gründer profitieren in jedem Fall von einer guten Beratung. Ein Steuerberater hilft bei Umsatzprognosen und erklärt Besonderheiten für den Handel außerhalb Deutschlands und der EU. Ganz ohne Beratung sollten Sie diese nachhaltige Entscheidung nicht treffen. Gemeinsam können Sie prüfen, ob für Sie die Vorteile der Kleinunternehmerregelung überwiegen.


Review: Gunnar Steffens, Steuerberater, 8P Partnerschaft mbB

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