Sarah Kübler: Aus Zufall gegründet, mit Absicht erfolgreich

aktualisiert am 20. Oktober 2023 13 Minuten zu lesen
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Jung, digital und gut vernetzt: Diese Beschreibung trifft auf Sarah Kübler ebenso zu wie auf die Influencer, die ihre Agentur vermittelt.

Seit 2015 bildet HitchOn die Schnittstelle zwischen der weiten Landschaft aus YouTubern, Instagrammern und Unternehmen, die Reichweiten der Influencer für sich nutzen möchten. Im Interview erzählt die Wahl-Mainzerin von ihrem Weg in die Selbständigkeit, den Kniffen bei der Wahl des richtigen Influencers und ihrem Rezept für die perfekte Work-Life-Balance.

Sie sind Gründerin und Geschäftsführerin einer Agentur mit gerade mal 30 Jahren. Wollten Sie schon immer Unternehmerin werden? 

Sarah Kübler HitchOnSchon immer nicht. Es war nicht total abwegig, weil meine Eltern beide selbständig sind. Zuhause hab ich miterlebt, dass es spannend sein kann, sein eigener Chef zu sein. Als ich den Weg in die Medienbranche eingeschlagen habe, war es erstmal uninteressant, denn klassische Produktionsfirmen gab es zu Hundertausenden, der Markt ist zu. Was den Bereich TV-Produktion angeht, war die Selbständigkeit keine Option, weil irrsinnige Vorkosten entstehen und man sehr große Risiken eingehen muss.

Die Gründungsidee für HitchOn ist eher durch Zufall entstanden, als das Thema Influencer und YouTube-Marketing immer größer wurde. Ich habe gemerkt, dass es bei YouTube eine Lücke gibt, die gefüllt werden muss. Dass ich so jung war, war mit ein Grund, warum ich es gemacht habe. Ich dachte: Komm, du bist jetzt 27. Wenn alles schief läuft, suchst du dir mit 28 eine neue Anstellung (lacht). Mein Risiko war überschaubar. Das ganze wird schwieriger, wenn man mehr Verpflichtungen hat, wenn man ein Haus abzubezahlen hat oder Kinder aufzieht. Da fällt so eine Entscheidung schwerer. Ich dachte einfach: Was habe ich zu verlieren?

Die Quote der Gründerinnen ist in Deutschland nach wie vor sehr niedrig. Welchen Rat haben Sie an Unternehmerinnen und die, die es noch werden wollen?

Ich habe mir vor der Gründung von HitchOn keine Gedanken darüber gemacht, dass ich eine Gründerin bin. Meine Mutter ist selbständig und für mich stand die Tatsache, dass ich eine Frau bin, nie im Vordergrund. Die Thematik “Gründerinnenquote” kam erst auf, als ich Anfragen für Podiumsdiskussionen bekommen habe.

Ich glaube, einige Frauen hält vielleicht genau die Tatsache ab, dass die Quote zu einem so großen Thema gemacht wird.  Man liest immer: “Es gibt zu  wenige Gründerinnen” oder “Es ist schwierig, denn als Frau gründet man anders.” Ich bin mir nicht sicher, ob es da riesige Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt – und ob es gut ist, ein riesiges Thema daraus zu machen. Junge Menschen gründen und haben so ihre Probleme. Dass es da unterschiedliche Arten gibt bei Männern und Frauen, ist möglich. Hätte ich vorher gewusst, dass so wenig andere Frauen gründen, hätte ich mir bestimmt mehr Panik gemacht: Wieso macht das niemand, wieso sollte es ausgerechnet bei mir funktionieren?

Gerade deshalb ist es schön, dass es als Gründer und natürlich auch Gründerin so viele Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch gibt. Das habe ich schnell zu schätzen gelernt. Malu Dreyer hat zum Beispiel für Rheinland-Pfalz ein Gründerinnenfrühstück ins Leben gerufen. Das ist eine sehr schöne Plattform, um sich auszutauschen. Bei der Verleihung des IT Women of the Year Award habe ich dieses Jahr den zweiten Platz in der Kategorie Young Leader gewonnen und auf der Gala gab es auch die Gelegenheit zu einem tollen Erfahrungsaustausch.

Welche Unterstützung haben Sie sich geholt, wenn Zweifel aufkamen? 

Da war eher mein Partner Thomas Hohmann, der auch mittlerweile bei HitchOn in Teilen mitarbeitet, meine Familie und enge Freunde Anlaufstelle – je nach Thema sucht man sich seine Experten. Ein gutes Netzwerk war für mich als Sologründerin das A und O.

Nun zu Ihrer eigenen Agentur. Sie bietet Kunden eine Plattform, um geeignete Influencer für Marketing-Kampagnen zu finden. Was qualifiziert einen Influencer?

Es kommt auf den Bereich an, den man bespielen möchte. Bei uns gilt als Influencer, wer regelmäßig über 1.000 User mit seinen Inhalten erreicht. Das ist die Untergrenze.
Ob sich der Influencer für einen Kunden eignet, hängt damit zusammen, wie seine Ziele aussehen. Wenn der Kunde sich eine hohe Conversion Rate bei der Kampagne wünscht, sollte der gewählte Influencer eine hohe Interaktionsrate mit der gewünschten Zielgruppe haben. Wenn man einen Influencer beauftragen möchte, der eine ganz spezielle Zielgruppe abdeckt, dann hat er oder sie vermutlich eine kleinere Reichweite, aber dafür ein sehr bestimmtes Zielpublikum. Angenommen ich möchte alle deutschen, schminkaffinen Menschen erreichen, die einen veganen Lippenstift kaufen möchten, der in Mainz produziert wird, dann ist meine Zielgruppe sehr klein. Völlig anders sieht es aus, wenn ich einen gewöhnlichen Lippenstift platzieren will. So verändert sich die Zielgruppe und auch die Reichweite, die Unternehmer benötigen.

Kurz gesagt: Influencer kann jemand sein, der nur 1.000 Follower hat oder aber jemand, der zwei Millionen Follower hat. Bei der Wahl, welcher Influencer sich eignet, kommt es auf das Produkt und dessen Zielgruppe an.

Die Landschaft der Influencer ist groß. Außerdem gibt es viele Social Media-Kanäle, die genutzt werden können. Wie nähert man sich als Start-up dem Thema Influencer-Marketing am geschicktesten? 
 
Natürlich gibt es Agenturen wie uns, die eine Recherche übernehmen. Dafür ist aber ein kleines Budget nötig. Wenn Gründer selbst mit der Suche starten wollen, ist eine erste Recherche auf Instagram meist sehr erfolgsversprechend:  Hier kann man leicht herausfinden, welche Hashtags die gewünschte Zielgruppe benutzt und über welche Hashtags sie sich austauschen. Wenn man sich hier ein wenig durchklickt, findet man schnell Influencer. Ein lokales Beispiel ist Frankfurt. Es gibt die Hashtags #ffmbloggers und #frankfurtdubistsowunderbar. Sucht man Instagrammer und Influencer im Raum Frankfurt, könnte man so schnell fündig werden.

Bei YouTube kann man viele Dinge schon über die Suche erfahren. Die Auto-Complete-Funktion hilft dabei herauszufinden, wie die User suchen. Ich gebe das erste Wort ins Suchfenster ein und YouTube macht Vorschläge, wie der Suchbegriff vervollständigt werden kann. Wenn ich die Suchsemantik meiner Kunden kenne, kann ich als nächstes prüfen, welche Influencer für die Suchbegriffe ranken. So kann ich mich Stück für Stück vortasten.

Wie sieht ein realistisches Startbudget für eine Influencer-Kampagne aus?

Das ist schwierig festzulegen, weil es so viele Faktoren gibt. Wenn das Unternehmen nur eine kleine Zielgruppe hat, ist es einfacher als bei einem massentauglichen Produkt, mit dem man eine viel größere Menge an Menschen ansprechen möchte. Mit einem Startbudget von 5.000 Euro für eine YouTube-Kampagne können Gründer schon einen realistischen Test machen, um festzustellen, ob eine Methode funktioniert und sich erste Erfolge abzeichnen. Nach der Testphase kann ich dann entscheiden, ob das Marketing mit Influencern geeignet ist und sich mit mehr Budget mehr erreichen lässt. Bei Instagram sind die TKPs, also die Tausend-Kontakt-Preise, etwas günstiger, weil kein Video produziert werden muss. Also können Start-ups schon mit 2.000 Euro eine gute Testphase starten.

Für welche Art von Unternehmen eignet sich das Influencer-Marketing besonders und für welche eher weniger?

Der B2B-Sektor ist generell schwieriger, weil die meisten Influencer natürlich hauptsächlich Endverbraucher ansprechen.
Gut geeignet ist Influencer-Marketing, wenn man ein B2C-Nischenprodukt hat. Für relativ kleines Geld können Unternehmen einen guten Output schaffen. Dafür können Mikro-Influencer genutzt werden, die nur ein ganz spezielles Thema bedienen. So erreicht man genau die Zielgruppe, die man ansprechen möchte und hat keine Streuverluste.

Bei B2C-Produkten, die sehr massentauglich sind, funktioniert Influencer-Marketing enorm gut, ist aber auch deutlich teurer, denn die Influencer müssen eine maximale Reichweite besitzen. Gerade bei einem Produktpreis unter 150 Euro kann man mithilfe eines Influencers oft viel erreichen und wesentlich mehr umsetzen als mit einer herkömmlichen Marketingkampagne.

Welche Fehler sollten Unternehmer unbedingt vermeiden, wenn Sie Influencer für sich nutzen möchten?

Eine gute Recherche ist ganz wichtig. Zunächst muss ich mir die Influencer genau anschauen und meine Fragen klären. Passt die Art, wie er seine Videos macht, zu meinen Produkten? Soll mein Produkt in diesem Umfeld stattfinden? Vermittelt er dieselben Werte wie meine Marke? Gerade bei der ersten Kampagne muss man wissen, auf wen man sich einlässt. Dazu braucht es eine Recherche, ansonsten kann die PR schnell schief gehen.

Haben Sie eine solche Pleite bereits miterlebt?

Bei HitchOn bekommen wir immer noch häufig Anfragen für einen prominenten YouTuber der wegen eines Videos mit homophoben Inhalten durch die Presse ging. Daran merken wir, dass die Kunden sich nicht genügend über die gewünschten Influencer informiert haben, nicht die News verfolgt haben. Wir informieren den Kunden natürlich in einem solchen Fall.

Ein weiterer Fehler ist die Fehleinschätzung der Zielgruppe. Wenn ich eine Rolex bewerben will, nützen mir Influencer mit sehr jungen Followern wenig. Wichtig ist auch, die Daten und Fakten der Influencer zu checken – die Geographics und Demographics. Wenn mein Produkt 500.000 Menschen in den USA erreicht, aber nur in Deutschland verfügbar ist, war die Arbeit umsonst.

HitchOn steht für digitalen Zeitgeist im schnelllebigen Online-Markt. Findet Ihre Freizeit eher online oder offline statt?

(lacht) Tatsächlich zu gleichen Teilen. Ich habe ein Pferd und einen Hund und bin deshalb viel draußen in der Natur. Die Zeit nehme ich mir auch als Ausgleich zum stressigen Alltag. Rauskommen, Turniere reiten, Tiere füttern, dreckig machen – das erdet mich und hilft mir, den Kopf freizukriegen. Tiere sind ein großer Teil meines Lebens. Wenn ich online bin, schaue ich meistens Bewegtbilder in jeglicher Form, vor allem YouTube und Netflix.

Foto: HitchOn

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