Die Wahl der richtigen Exit-Strategie ist für Gründer ohne Investoren nicht einfach. Europas führender Startup Coach Julius Bachmann zeigt, worauf es ankommt.
Wenn wir über Technologie-Unternehmertum sprechen, neigen wir normalerweise dazu, uns an der aufregenden Welt der VC-finanzierten Startups zu orientieren. Doch Bootstrapping – also der Aufbau eines Geschäfts ohne externe Finanzierungen – ist oft die bessere Strategie.
Julius Bachmann ist einer der führenden Executive Coaches für Unternehmer in Europa. Auf Basis seiner Erfahrung als Investor, CFO und Gründer arbeitete er mit bisher über 150 Klienten ganzheitlich an deren persönlichem Wachstum und geschäftlichen Herausforderungen. Sein Ziel ist es, Unternehmertum menschlicher zu gestalten. Bachmann lebt und arbeitet in Berlin.
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Es gibt den Gründern mehr Kontrolle über ihr Schicksal und letztendlich eine größere Rendite, wenn sie schließlich ihre Anteile oder die ganze Firma verkaufen. Bootstrapping-Unternehmen bekommen jedoch wenig Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit – so ist es selten, dass andere Unternehmer von ihren Erfahrungen lernen können.
Aus diesem Grund möchte ich Einblicke aus meiner Arbeit mit Bootstrapping-Gründern und -Teams teilen, welche auf einen Exit (Unternehmensverkauf) hinarbeiten. Wie sollten diese Gründer über den Exit-Prozess nachdenken und sich darauf vorbereiten? Wie sollten sie ihre Geschichte potenziellen Käufern erzählen und den Exit ihren Mitarbeitern verkaufen?
Mein besonderer Dank gilt Janosch Kühn, Mitbegründer von Kolibri Games in Berlin: seine Exit-Story ist Teil dieses Artikels.
Der Grund: Warum Exit? Warum jetzt?
An dieser Stelle ist wichtig zu erwähnen, dass ich mich in diesem Artikel mit solchen Gründern beschäftige, deren ausgesprochenes Ziel es ist, ihre Firma letztendlich zu verkaufen. Ich habe größten Respekt vor Unternehmern, die ihr Geschäft langfristig führen wollen – ich selbst zähle mich auch zu dieser Gruppe –, doch auf sie treffen die folgenden Überlegungen und Einblicke weniger zu.
Im Gegensatz zu VC-finanzierten Unternehmern, die in der Regel innerhalb von sieben bis zehn Jahren ab Investment veräußert werden, ist das Ende der Bootstrapping-Reise nicht immer klar erkennbar. In dieser Ungewissheit erfordert Bootstrapping eine enorme Anstrengung (auf unbestimmte Zeit), um Ihr Unternehmen nicht nur am Leben zu halten, sondern daraus auch einen attraktiven, florierenden Verkaufskandidaten zu formen.
Durch meine Coaching-Arbeit habe ich fünf Treiber identifiziert, warum Bootstrapping-Gründer einen Exit in Betracht ziehen könnten:
1. Wir brauchen einen Wachstumspartner
Es gibt wichtige Projekte, die wir ohne weitere Ressourcen oder Investitionen nicht stemmen können.
2. Wir haben spannende Interessenten im Markt
Marktteilnehmer drängen darauf, unser Unternehmen zu kaufen und es ist ein opportuner Zeitpunkt für uns: bei solchen Angeboten können wir nicht wegsehen!
3. Wir haben Beziehungsprobleme
Als Mitbegründer sind wir uns nicht mehr einig über die Zukunft des Unternehmens, und diese Unterschiede sind nicht lösbar.
4. Wir haben unsere Grenzen erkannt
Wir haben das Geschäft so weit gebracht, wie wir können, und erkennen, dass wir als Team nicht die richtigen Fähigkeiten haben, um es auf die nächste Ebene zu bringen.
5. Es ist Zeit
Ob aufgrund von Burnout, Lustlosigkeit, dem Wunsch, mehr Zeit mit unseren Familien zu verbringen oder anderen Business-Möglichkeiten nachzugehen: wir wissen, dass die Zeit gekommen ist, auszusteigen.
Doch unabhängig von der Motivation wird sich irgendwann alles auf eine Frage konzentrieren: Macht ein Exit jetzt Sinn?
Später werden die Gründer damit beauftragt sein, die Geschichte des Exits ihren Teams, Kunden, Partnern und potenziellen Käufern oder Investoren zu erzählen. Wenn sie andere nicht davon überzeugen können, dass es die richtige Entscheidung ist, wird das ein schwieriges Unterfangen.
Der Weg: Welche Exit-Strategien gibt es?
Sobald sich ein Gründer für einen Exit entschieden hat, ist der nächste Schritt, die verschiedenen Optionen zu bewerten.
Nach einer fünfjährigen Achterbahnfahrt verkauften Kühn und seine Mitbegründer Daniel Stammler und Oliver Löffler 2020 Kolibri Games an den Gaming-Riesen Ubisoft für über 100 Millionen US-Dollar.
Bei der Überlegung von Exit-Strategien erläuterte mir Kühn: „Es handelt sich immer um einen Kompromiss zwischen Finanzinvestoren und strategischen Partnern, daher ist es wichtig, klar auf das ultimative Ziel ausgerichtet zu sein. Wir brauchten in erster Linie strategische Unterstützung, und Ubisoft war der perfekte Partner in dieser Hinsicht.“
Die meisten Bootstrapping-Exits erfolgen in Form eines Verkaufs an einen strategischen Käufer – wie im Fall von Kolibri Games– oder an einen privaten Investor wie einen Private-Equity-Fonds. Bootstrapping-Unternehmen können öffentlich gelistet werden, aber wie bei jedem Unternehmen ist die Wahrscheinlichkeit gering. Wie Kühn feststellt, wird ein Exit in den meisten Fällen eine Balance aus strategischer und finanzieller Unterstützung erfordern.
Der Zeitrahmen für den Abschluss dieser Transaktion variiert je nach Interesse der Käufer erheblich. Wir hören oft die pauschale Schätzung, dass Venture-Finanzierungen etwa sechs Monate dauern; für die Gründer, mit denen ich zusammengearbeitet habe, hat der Exit-Prozess jedoch in der Regel eher 12-18 Monate gedauert. Aber Vorsicht: Eine längere Zeitspanne ist nicht unbedingt schlecht. Sie gibt dem Gründer die Möglichkeit, den Exit strategisch zu gestalten und das Unternehmen – insbesondere die Mitarbeiter – auf die wahrscheinlich folgende, turbulente Zeit nach der Transaktion vorzubereiten.
Die Vereinbarung: Wie kann ich sicherstellen, dass alle Mitgründer an einem Strang ziehen?
Alle Unternehmer haben unterschiedliche Gründe, einen Exit in Betracht zu ziehen, und bei gemeinsam gegründeten Unternehmen müssen diese Gründe nicht immer übereinstimmen.
Aus meiner Erfahrung ist der beste Weg, um eine gemeinsame Ausrichtung zu erreichen, dass Mitbegründer verschiedene Exit-Szenarien durchgehen und alle Möglichkeiten eruieren. Ist beispielsweise ein Verkauf die einzige Option, oder könnte eine externe Investition eine Alternative darstellen? Wäre es möglich, dass ein Mitbegründer von den verbleibenden Partnern ausbezahlt wird?
Ein Unternehmen, mit dem ich zusammenarbeitete, hatte drei Gründer: Zwei von ihnen waren länger im Unternehmen tätig und hatten persönlich mehr Geld investiert als der dritte Gründer. Sie waren bereit, einige ihrer Anteile zu verkaufen und mehr Zeit mit ihren jungen Familien zu verbringen. Der andere Mitbegründer trat etwas später der Gruppe bei und befand sich in einer anderen Lebensphase. Er wollte definitiv bleiben und sehen, wohin die Erfolgsgeschichte führen würde.
Kühn erklärt: „Obwohl wir von unseren Freunden und Familien angetrieben wurden, waren meine Mitgründer und ich uns nie uneinig über den Zeitrahmen für den Exit. Unser Ziel war es immer, ein Niveau zu erreichen, bei dem ein Exit sowohl für uns lohnend als auch für das Unternehmen strategisch sinnvoll wäre. Mit dieser Ausrichtung konnten wir alle gemeinsam auf der Reise zusammenarbeiten.“
Die Geschichte: Wie formen wir die Story um den Exit?
Ein wesentlicher Teil der Vorbereitung auf einen Exit besteht darin, sich die gemeinsame Geschichte zurechtzulegen. Gründer müssen erklären können, warum es Zeit ist zu verkaufen, und diese Geschichte sowohl intern an ihre Teams als auch an potenzielle Käufer anpassen. Wenn man einen Fluss überquert, muss man den Menschen zeigen können, wie das andere Ufer aussieht, und sie davon überzeugen, dass es die Anstrengung wert ist, dorthin zu gelangen.
Ein Exit kann zu Arbeitsplatzverlusten oder zum Austausch von Positionen führen. Daher ist die interne Kommunikation oft kritischer als die externe. Ein Exit schafft große Unsicherheit im Team. Gründer sollten dieser Realität nicht ausweichen, in ihrer Kommunikation aber auch wohlüberlegt vorgehen. Einer meiner Kunden baute seine gesamte interne Kommunikationsstrategie darauf auf, jedem Teammitglied zuzuhören und alle Anliegen zu adressieren.
Natürlich ist manchmal die Person, die am meisten überzeugt werden muss, der Gründer selbst. Er oder sie ist mit dem Unternehmen emotional verbunden, und obwohl klar ist, dass es der richtige Zeitpunkt für den Exit ist, ist es nicht einfach, loszulassen.
Ich frage Gründer immer, wenn sie das Unternehmen in fünf oder zehn Jahren (nach dem Exit) als Außenstehende betrachten würden, was sie gerne sehen möchten. Einige antworten in Bezug auf Umsätze oder Gewinne. Andere sprechen darüber, die Kultur des Unternehmens im großen Maßstab aufrechtzuerhalten, die Produktqualität zu verbessern, indem sie auf die F&E-Fähigkeiten des Käufers zugreifen, oder die Kundenzufriedenheit steigern, indem sie ihnen Zugang zu einem breiteren Ökosystem geben.
Nur wenn die Vision klar ist, können Gründer bestimmen, wie ein erfolgreicher Übergang in Bezug auf Kunden, Mitarbeiter, Produkte und Finanzen aussehen soll, und damit beginnen, die Geschichte um den Exit zu gestalten.
Das Dilemma: Optimierung für Rentabilität oder Wachstum?
Ein überzeugender Exit-Narrativ muss durch starke Kennzahlen gestützt werden. Dies ist der ideale Zeitpunkt für Gründer, sich auf die Optimierung des Geschäfts zu konzentrieren, aber es ist wichtig, dass sie ihrem Playbook treu bleiben, wenn sie ihre Exit-Strategie in die Tat umsetzen.
Bootstrapping-Unternehmen sind von Anfang an auf Rentabilität optimiert. Gerade in solchen Fällen kann ein „Aufhübschen“ vor dem Exit durch kompromissloses Wachstum schnell an der Organisationskultur scheitern.
Kühn sagt: „Nachdem wir von Investoren viele Male abgelehnt worden waren, arbeiteten wir während unserer Reise mit einer Rentabilitäts-Mentalität. Wir waren sehr zurückhaltend beim Ausgeben von Geld – selbst für Dinge wie Marketing – bis wir uns sicher waren, welche Art von Rendite wir erwarten konnten. Während wir unsere Marketingmaßnahmen verstärkten, als wir einen Exit anstrebten, optimierten wir weiterhin in Richtung Rentabilität, beispielsweise indem wir eine Rendite auf Investitionen für alle Marketinginvestitionen innerhalb von drei Monaten verlangten.“
Die Unsicherheit: Wer bin ich, wenn ich mein Unternehmen nicht mehr führe?
Nach Abschluss des Geschäfts mit Ubisoft verpflichteten sich Kühn und seine Mitgründer 18 Monate lang zu bleiben, um der Organisation bei der Anpassung an ihre neue Umgebung zu helfen. „Wir waren immer noch in das Unternehmen involviert und haben viel Zeit in die Entwicklung neuer Spiele investiert, um es auf die nächste Stufe zu bringen“, sagt er. „Es fühlte sich gut an, weiterhin mit unseren Ideen beizutragen und die großartigen Entwicklungen im Unternehmen zu begleiten.“
Was Kühn beschreibt, ist nicht einfach. Für viele Gründer ist es schwierig, sich an die neue Realität anzupassen, in der sie nicht mehr das Ruder in der Hand haben. Einige setzen ihre Anweisungen von der Seitenlinie aus fort, was zu Verwirrung bei ihren alten Teams führt. Andere fühlen sich gefangen und machtlos und bereuen ihr Commitment, nach dem Verkauf in der Firma zu bleiben.
Wir können hier zwei Dinge lernen: Erstens sollten die Gründer sorgfältig über die Länge ihres Post-Exit-Aufenthalts nachdenken. Beachten Sie, dass die meisten Erwerber das Wissen und die Erkenntnisse der Gründer für mehrere Jahre entweder in leitender oder nicht leitender Funktion behalten möchten. Ein zu schnelles Verschwinden könnte das neue Führungsteam gefährden. Ein langes Engagement in einer leitenden Position könnte jedoch zu einer Gefängnisstrafe werden und den Gründer davon abhalten, mit seinem Leben weiterzumachen.
Zweitens müssen die Gründer herausfinden, wie das Leben nach dem Exit aussieht. Viele Bootstrapping-Unternehmer können sich nicht von ihrem Unternehmen trennen und haben kaum eine Ahnung, wer sie nach dem Exit sind.
Denkst du über einen Exit nach? Suche nach einem Bootstrapping-Gründer als Mentor.
Vieles bei meiner Arbeit mit Bootstrapping-Gründern erinnert mich an den Grundsatz „Working from first principles“: Sie nehmen nichts als gegeben hin und geben nicht vor, alles zu wissen, während sie außerhalb des Rampenlichts agieren. Es lohnt sich für Gründer mit oder ohne VC-Unterstützung, sich mit ihren Bootstrapping-Kollegen zu vernetzen, um ihre Perspektive auf Exits zu verstehen.