Schätzungsbescheid (Steuerrecht): Definition, Rechtsmittel, FAQ

Steuerpflichtige mit bestimmten Einkünften – z. B. Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb – sind zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet. Wird diese Pflicht nicht beachtet, kann die Finanzbehörde einen Schätzungsbescheid erlassen.

 

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Inhaltsverzeichnis

 

Was ist ein Schätzungsbescheid?

Verschiedene Anlässe können dazu führen, dass ein Finanzamt die für eine Steuerveranlagung benötigten Besteuerungsgrundlagen schätzen darf (§ 149 Absatz 1 Satz 1 AO). Dabei orientiert es sich in der Regel an den Daten, die auf früheren Steuerveranlagungen beruhen. In einem solchen Fall versendet das Finanzamt an Steuerpflichtige einen Schätzungsbescheid (auch: geschätzter Steuerbescheid).

Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen kann durch den Ermessensspielraum des Finanzamtes zu einer höheren Steuerveranlagung führen, als es nach den tatsächlichen Verhältnissen der Fall wäre.

Ein geschätzter Steuerbescheid entbindet Steuerpflichtige übrigens nicht von ihrer Abgabepflicht.

 

Schätzungsbescheid bei fehlender Abgabe der Steuererklärung

In den allermeisten Fällen versendet das Finanzamt einen Schätzungsbescheid, falls eine steuerpflichtige Person ihre Steuererklärung nicht oder nicht vollständig einreicht. Eine Steuererklärung ist beispielsweise immer dann erforderlich, wenn eine Unternehmerin Einkünfte aus einem Gewerbebetrieb oder ein Freiberufler Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt (§ 149 AO). In der Regel muss diese bis zum 31. Juli des folgenden Jahres beim Finanzamt vorliegen.

Wer die Frist missachtet, bekommt jedoch nicht sofort einen geschätzten Steuerbescheid zugestellt. Das Finanzamt macht Steuerpflichtige zunächst auf die Fristversäumnis aufmerksam und setzt für die Nachreichung der Steuererklärung einen neuen Termin. Versäumt die steuerpflichtige Person auch diese Frist, setzt das Finanzamt den Schätzungsweg in Gang.

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Warum kann ich außerdem einen Schätzungsbescheid erhalten?

Außer der fehlenden Abgabe der Steuererklärung kann das Finanzamt weitere Gründe anführen, um einen Schätzungsbescheid zu erlassen:

  • Steuererklärung enthält unvollständige Angaben
  • Der eingereichten Steuererklärung sind die steuerrelevanten Unterlagen nicht beigefügt
  • Steuerpflichtige Person kommt ihren Mitwirkungspflichten nicht nach (§ 90 AO)
  • Steuerpflichtige Person missachtet Auskunftspflicht nach § 93 AO

Wer mit den Details der jährlichen Steuererklärung für Unternehmer nicht vertraut ist, finden hier Grundlagenwissen zum Jahresabschluss sowie zur Einnahmenüberschussrechnung (EÜR).

 

Einspruch gegen Schätzungsbescheid einlegen und Aussetzung der Vollziehung beantragen

Gegen einen Schätzungsbescheid kann eine steuerpflichtige Person fristgerecht Einspruch einlegen. Hierbei ist zu beachten, dass mit einem Einspruch nicht gleichzeitig die Forderung des Finanzamts ausgesetzt ist. Daher ist zu empfehlen, zusätzlich zu einem Einspruch gegen einen Schätzungsbescheid die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen. Dadurch kann das Finanzamt auf die Durchsetzung des Anspruchs verzichten, bis über den Einspruch endgültig entschieden wurde.

Einspruch muss fristgerecht erfolgen

Die Einspruchsfrist beträgt einen Monat (§ 355 AO) und beginnt, wenn das Finanzamt den geschätzten Steuerbescheid erstellt hat. Maßgeblich ist also das Datum auf dem Schätzungsbescheid.

Einspruch muss begründet werden

Für die Zulässigkeit des Einspruchs muss dieser begründet sein. Als Zulässigkeitsgrund erkennt das Finanzamt es an, wenn die beschwerte Person dem schriftlichen Einspruch die angemahnte Steuererklärung beifügt.

Bestenfalls erlässt das Finanzamt aufgrund der eingereichten Steuererklärung einen neuen Steuerbescheid, der den Schätzungsbescheid aufhebt.

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Rechtliche Grundsätze eines Schätzungsbescheids

Nur wenn mindestens einer der genannten Schätzungsgründe vorliegt, ist das Finanzamt berechtigt, einen Schätzungsbescheid zu erlassen. Obwohl dem Amt hierbei ein Ermessensspielraum zusteht, müssen folgende Grundsätze beachtet werden.

Schätzung der Besteuerungsgrundlagen muss realistisch sein

Das Finanzamt muss bei Erlass eines Schätzungsbescheides von realistischen Sachverhalten ausgehen. Dies bedeutet, dass die Besteuerungsgrundlagen einer Unternehmerin oder eines Freiberuflers nicht willkürlich festgesetzt werden dürfen. In der Regel orientiert das Finanzamt sich an dem Gewinn oder den Umsätzen, die der vorhergehenden Steuerveranlagung zugrunde lagen. Vom Bundesfinanzhof (BFH) wurde auf höchstrichterlicher Ebene entschieden, dass das Finanzamt sich hierbei am oberen Rand des Schätzungsrahmens bewegen darf. Steuermindernde Tatsachen (z. B. Werbungskosten oder Betriebsausgaben) dürfen sich dagegen an der unteren Grenze des Schätzungsrahmens bewegen.

Zwangsgeldverfahren vor Schätzungsbescheid

Bevor das Finanzamt gegen eine steuerpflichtige Person einen geschätzten Steuerbescheid erlassen darf, muss es andere Maßnahmen ergreifen, um diese zur Abgabe der Steuererklärung zu bewegen. Bei Nichterfüllung der Abgabepflicht der Steuererklärung beispielsweise ist zunächst ein Zwangsgeldverfahren vorgesehen. Das bedeutet, dass das Amt die Zahlung eines Geldbetrages verlangt, sollte die Steuererklärung bis zu einem neu angesetzten Termin nicht eingehen. Reicht die steuerpflichtige Person die Erklärung rechtzeitig ein, entfällt die Zahlungspflicht.

Schätzungsbescheid steht unter Vorbehalt der Nachprüfung

Der Schätzungsbescheid erfolgt in der Regel unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO). Dies bedeutet, dass das Finanzamt sich vorbehält, den geschätzten Steuerbescheid jederzeit und ohne eine Begründung ändern zu können. Durch einen entsprechenden Vermerk auf dem Bescheid hält das Finanzamt den gesamten Steuerfall offen.

Für eine steuerpflichtige Person hat der Vorbehalt der Nachprüfung zunächst keine Auswirkung. Die in dem geschätzten Steuerbescheid festgesetzte Steuer ist bis zum Fälligkeitstag zu entrichten. Dies kann nur verhindert werden, indem man fristgerecht Einspruch einlegt.

Wurde der Vorbehaltsvermerk vom Finanzamt aufgehoben oder ergeht ein Steuerbescheid ohne den Vorbehalt der Nachprüfung, ist dieser nach Ablauf der Einspruchsfrist bestandskräftig. Dann kann der Steuerbescheid nicht mehr angefochten werden.

 

Ist ein Schätzungsbescheid ohne Vorbehalt der Nachprüfung rechtsgültig?

In einem Streitfall hatte ein Finanzamt gegen einen Steuerpflichtigen einen geschätzten Steuerbescheid ohne Vorbehalt der Nachprüfung erlassen. Der Empfänger des Bescheids legte fristgerecht Einspruch ein und machte das Finanzamt darauf aufmerksam, dass der Schätzungsbescheid nicht wie üblich unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen wurde.

Das Finanzamt wies den Einspruch mit dem Hinweis zurück, dass es keine rechtliche Grundlage dafür gäbe, dass ein Steuerbescheid grundsätzlich unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden muss. Bei der Vorschrift in § 164 der Abgabenordnung handele es um eine Vorschrift, die die Behörde im Rahmen ihres Ermessensspielraums anwenden kann.

Die beim zuständigen Finanzgericht eingereichte Klage führte für die steuerpflichtige Person ebenfalls nicht zum Erfolg. Die Richter am Finanzgericht schlossen sich der Ansicht des Finanzamts an und wiesen die Klage zurück (FG Bremen, Urteil vom 19.09.2019, AZ 1 K 20/19 (3)).

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