Der Überschuldungsbegriff: Was ist eine Überschuldung?
Der sogenannte „Überschuldungsbegriff” war jahrelang rechtlich umstritten und uneindeutig, doch mit Änderung des § 19 InsO durch Art. 5 FMStG ist die Definition von betrieblicher „Überschuldung” nun deutlicher: Unter Überschuldung versteht man die Situation, wenn das Vermögen des Unternehmens nicht mehr ausreicht, um die bestehenden Verbindlichkeiten zu decken – es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist sehr wahrscheinlich. Wenn die Schulden also größer sind als das Vermögen, liegt eine Überschuldung vor. Ist die Fortbestehensprognose des Unternehmens negativ, muss mit einer Insolvenz gerechnet werden. Überschuldung ist zusammen mit Zahlungsunfähigkeit eine der Hauptursachen für Insolvenz.
Wann liegt die Überschuldung einer GmbH vor?
Die Überschuldungsprüfung ist eines der schwierigsten und auch umstrittensten Probleme der Insolvenzpraxis. Unternehmer können durch eine zweistufige Überprüfung feststellen, ob eine Überschuldung vorliegt: Sofern Sie (noch) zahlungsfähig sind, können Sie im ersten Schritt eine Fortbestehensprognose erstellen. Sollte diese positiv ausfallen, müssen Sie zum jetzigen Zeitpunkt (noch) keinen Insolvenzantrag stellen. Falls Ihre Fortbestehensprognose jedoch negativ ausfällt, besteht für Sie die Pflicht, eine Überschuldungsbilanz zu ziehen. Sollte Ihr Reinvermögen nun im positiven Bereich liegen, müssen Sie (noch) keinen Insolvenzantrag stellen, haben aber dennoch ein Insolvenzantragsrecht aufgrund drohender Zahlungsunfähigkeit; wenn Ihr Vermögen jedoch zusätzlich zu einer vorhandenen negativen Fortbestehensprognose in die roten Zahlen hineinreicht, liegt die Insolvenzantragspflicht vor.
Die Überschuldungsprüfung im Detail:
1. Fortbestehensprognose
Damit die Fortbestehungsprognose positiv ausfällt, muss der Wille zur Weiterführung des Unternehmens vorhanden sein, ebenso wie ein realistisches Konzept zur Fortführung der GmbH für das laufende und auch für das folgende Geschäftsjahr. Das Unternehmenskonzept muss eine Liquiditätsprognose enthalten, aus der hervorgeht, dass Ihre GmbH im Zeitraum der Prognose nicht zahlungsunfähig wird. Falls die Fortbestehungsprognose negativ ausfällt, müssen Unternehmer mit einer Überschuldungsbilanz den nächsten Schritt einleiten.
2. Überschuldungsbilanz/Überschuldungsstatus
Unternehmer können mit einer Überschuldungsbilanz, auch als Überschuldungsstatus bezeichnet, feststellen, ob tatsächlich eine Überschuldung vorliegt. Sollten bei einer negativen Fortführungsprognose Ihre Verbindlichkeiten Ihr vorhandenes Vermögen überschreiten, besteht für Sie Insolvenzantragspflicht. Man spricht bei einem negativen Reinvermögen von einer bilanziellen Überschuldung. Wenn Ihr Reinvermögen im negativen Bereich liegt, ist von einer Unterbilanz die Rede; sobald es unter den Betrag des Stammkapitals gesunken ist, spricht man bereits von einer Unterdeckung.
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Ursachen von Unternehmenskrisen
Ursachen für eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit gibt es viele. Die Faktoren für eine drohende Insolvenz lassen sich in vier Kategorien unterteilen: liquiditätsvermindernde, kostensteigernde, umsatzmindernde Faktoren sowie unbeständige oder unzuverlässige Führungs- und Kontrollinstrumente:
Liquiditätsvermindernde Faktoren
- Schlechte und unsolide Finanzierung
- Nicht fristgerechte Einziehung von Forderungen
- Insolvenz einer oder mehrerer Kunden/Lieferanten
Kostensteigernde Faktoren
- Fehlplanung, beispielsweise von Investitionen
- Erhöhung von Bankzinsen oder Personalkosten
Umsatzmindernde Faktoren
- Geringe Wettbewerbsfähigkeit
- Probleme bei der Auftragsabwicklung
Mängel bei Führungs- und Kontrollinstrumenten
- Mängel bei Management oder Rechnungswesen
- Private Probleme des Geschäftsführers
Prüfung der Insolvenzreife
Unternehmer, die in Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung geraten sind, werden vom Gesetzgeber angehalten, wenn nötig täglich eine neue Überschuldungsbilanz aufzustellen, um den Zeitpunkt der Insolvenzreife, also den Eintritt eines möglichen Insolvenzgrundes (Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit), nicht zu verpassen. Zum Zeitpunkt der Insolvenzreife sollte vom Unternehmer zusätzliches Kapital beschafft werden, um sich aus der finanziellen Notlage zu befreien und die Insolvenz zu vermeiden. Wenn jedoch kein Kapital akquiriert werden kann, bleibt nur eines übrig: Umgehend einen Antrag auf Regelinsolvenz zu stellen! Nur mit einem rechtzeitigen Insolvenzantrag kann eine Insolvenzverschleppung verhindert werden.
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Folgen einer nicht oder zu spät festgestellten Überschuldung
Sobald die Überschuldung zu spät oder gar nicht festgestellt wird, ist das Risiko für Unternehmer groß: Wurde kein Insolvenzantrag gestellt, obwohl eine Insolvenzantragspflicht vorliegt, ist der Tatbestand der Insolvenzverschleppung erfüllt. Nach § 15 InsO zählt eine Insolvenzverschleppung als Straftat und kann zu einer Freiheitsstrafe führen. Ebenso kann bei verspäteter Insolvenzanmeldung ein sogenannter Quotenschaden entstehen: dieser bezeichnet die Differenz zwischen dem Betrag, der bei rechtzeitiger Anmeldung der Insolvenz gezahlt hätte werden müssen und dem Betrag, der durch die verspätete Anmeldung nun tatsächlich fällig ist. Zudem wird in Fällen der Insolvenzverschleppung oder des Quotenschadens die Durchgriffshaftung geprüft: durch diese haftet der GmbH-Geschäftsführer nun mit seinem Privatvermögen.
Insolvenz der GmbH
Sollte sich nach der Überprüfung auf Überschuldung oder Insolvenzreife ergeben, dass eine Insolvenz angemeldet werden muss, haben Unternehmer nach §§ 64 und 84 GmbHG drei Wochen Zeit, einen Antrag auf Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens wegen Überschuldung zu stellen. Dieser Antrag muss nun vom Insolvenzgericht geprüft werden. Sofern diesem stattgegeben wird, beginnt nun das Regelinsolvenzverfahren.
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Gegenmaßnahmen bei Liquiditätsengpässen
Sobald finanzielle Engpässe auftreten, ist schnelles Handeln von äußerster Wichtigkeit. Die Ursachen für Liquiditätsengpässe haben Sie schon erfahren. Kommt es zu finanziellen Engpässen, gibt es womöglich Optimierungsbedarf für Ihren Finanzplan. Damit die Zahlungsunfähigkeit oder gar die Insolvenz aber noch abgewendet werden kann, gibt es zahlreiche Maßnahmen, die Unternehmer ergreifen können:
Auszahlungen verringern: Beispielsweise durch den Aufschub von Investitionen, Verringerung der Vorratshaltung oder Vereinbarung mit dem Finanzamt zwecks Zahlungsaufschub.
Einnahmen vergrößern: z. B. durch Beschleunigung der Rechnungsziele von Kunden und der Rechnungsausgänge, Verkauf von Forderungen (“Factoring”) oder Optimierung des Inkasso- und Mahnwesens.