Selbständigkeit machen als Hartz IV-Empfänger

aktualisiert am 20. Oktober 2023 10 Minuten zu lesen
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Auf dem Weg in die Selbständigkeit werden Arbeitslosengeldempfänger von der Bundesagentur für Arbeit besonders gefördert. In diesem Artikel wird erklärt, unter welchen Voraussetzungen das Arbeitsamt Existenzgründungen unterstützt und welche Fördermittel hierfür beantragt werden können.

 

Erwerbslos selbständig machen – auch mit ALG2

Ein Unternehmen lässt sich aus jeder Lebenssituation heraus gründen. Selbst die Arbeitslosigkeit stellt keinen Hinderungsgrund dar. Im Gegenteil: Wer sich aus der Arbeitslosigkeit heraus selbständig machen möchte, wird von der Bundesagentur für Arbeit gefördert und finanziell unterstützt.

Bei der Art der Förderinstrumente unterscheidet das Arbeitsamt, ob der Arbeitslosengeldempfänger ALG I oder II bezieht. Empfänger des ALG II (umgangssprachlich auch als Hartz IV bezeichnet) haben die Möglichkeit, beim Jobcenter ein sogenanntes Einstiegsgeld für die Existenzgründung zu beantragen. Wird das Einstiegsgeld bewilligt, erhalten Gründer die finanzielle Förderung zusätzlich zum monatlichen Grundbetrag (§ 16b Sozialgesetzbuch II). Die Höhe des Einstiegsgeldes beläuft sich in der Regel auf 50 Prozent der monatlich gezahlten Regelleistung. Lebt der Antragsteller in einer Bedarfsgemeinschaft, werden aufgrund des Mehrbedarfs zusätzlich zu den 50 Prozent der Regelleistung weitere 10 Prozent für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gezahlt. Der finanzielle Zuschuss ist jedoch auf maximal 5.000 Euro und 24 Monate begrenzt. Ist der Antragsteller schon sehr lange arbeitslos, kann die Förderung aber unter Umständen höher ausfallen.

Empfänger des ALG I können hingegen den sogenannten Existenzgründungszuschuss beantragen. Im Volksmund ist häufig auch die Rede von der Ich-AG. Als Ich-AG werden auch heute noch umgangssprachlich Unternehmer bezeichnet, die mit Hilfe des Existenzgründungszuschusses ein Einzelunternehmen gründen.

Eingliederungsleistung zusätzlich beantragen

Empfänger von ALG II haben seit 2009 die Möglichkeit, zusätzlich oder auch unabhängig vom Einstiegsgeld eine Eingliederungsleistung für Selbständige zu beantragen (§ 16c SGB II). Mit diesem Investitionszuschuss soll Selbständigen ermöglicht werden, in erforderliches Equipment für die Existenzgründung zu investieren. Hierzu zählen zum Beispiel Büroeinrichtungen, Fahrzeuge oder andere notwendige Materialien.

Eine Eingliederungsleistung ist genau wie das Einstiegsgeld ein Förderinstrument, das von dem zuständigen Sachbearbeiter bewilligt werden kann, aber nicht muss. Denn es besteht keine Rechtsgrundlage für diese Förderleistungen durch das Jobcenter. Eine wichtige Voraussetzung für die Beantragung des Einstiegsgeldes ist der Nachweis darüber, dass bisher kein Bank- oder Landeskredit für die Finanzierung des Unternehmens genehmigt wurde. Als Nachweis reicht hier eine Bescheinigung über die nicht vorhandene Kreditwürdigkeit des Gründers durch seine Hausbank aus.

Damit der finanzielle Zuschuss bewilligt wird, muss der Antragsteller Überzeugungsarbeit leisten. Hilfreich hierfür ist vor allem ein gut ausgearbeiteter Businessplan in welchem erwartete Ausgaben und Gewinne durch das Unternehmen möglichst realistisch berechnet sind. Nur wenn der Sachbearbeiter vom Erfolg des Unternehmens überzeugt ist, wird er die Fördermittel genehmigen.

 

Voraussetzungen für die Bewilligung von Einstiegsgeld

Grundsätzlich gelten für die Bewilligung von Einstiegsgeld die gleichen Voraussetzungen wie für den Erhalt des Existenzgründungszuschusses. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit der Antrag auf Förderung bewilligt wird:

  • Der Fördermittelantrag muss vor der Unternehmensgründung gestellt werden.
  • Die Tätigkeit muss hauptberuflich ausgeübt werden.
  • Es muss ein Nachweis über den voraussichtlichen Erfolg des Unternehmens erbracht werden. Ein sorgfältig ausgearbeiteter Businessplan, der detailliert Aufschluss über die Finanzierung und den erwarteten Gewinn des Unternehmens gibt, gilt in der Regel als Nachweis.

 

Eignungsprüfung des Antragstellers

Auch wenn die oben genannten Voraussetzungen alle erfüllt sind, heißt das jedoch noch nicht, dass das Einstiegsgeld automatisch bewilligt wird. Der zuständige Sachbearbeiter unterzieht den Antragsteller vorher noch einer Eignungsprüfung. Dadurch soll bewertet werden, ob die Geschäftsidee Aussichten auf Erfolg hat und ob die Hilfebedürftigkeit des Arbeitslosengeldempfängers mit der Unternehmensgründung langfristig beendet werden kann.

Objektive Eignungsprüfung

Auf Basis der Daten und Fakten über den Gründer und seine Geschäftsidee erstellt der zuständige Sachbearbeiter eine Prognose über den voraussichtlichen Erfolg des Unternehmens. Geprüft werden insbesondere folgende Aspekte:

  • Wie hoch ist der Finanzierungsbedarf für das Gründungsvorhaben?
  • Welche Gewinnaussichten wird das Unternehmen voraussichtlich haben?
  • Bestehen Zulassungsvoraussetzungen für das geplante Unternehmen?
  • Ist das Unternehmen gegenüber Wettbewerbern am Markt konkurrenzfähig?

Sieht sich der zuständige Sachbearbeiter nicht in der Lage, eine aussagekräftige Prognose zu erstellen, können fachkundige Gutachter wie berufsständische Kammerorganisationen, Fachverbände oder Gründerzentren hinzugezogen werden.

Subjektive Eignungsprüfung

Während bei der objektiven Eignungsprüfung eher die Bewertung der Geschäftsidee und die Erfolgsaussichten des Unternehmens im Fokus stehen, wird bei der subjektiven Eignungsprüfung der Antragsteller selbst begutachtet. Der zuständige Sachbearbeiter bewertet, ob der Gründungswillige in der Lage ist, die Geschäftsidee gut umzusetzen. Geprüft werden unter anderem folgende Aspekte:

  • Verfügt der Antragsteller über die notwendigen Branchenkenntnisse?
  • Welche Ausbildung hat der Gründer durchlaufen?
  • Wie viel Berufserfahrung kann er oder sie vorweisen?
  • Verfügt der Gründer über das notwendige unternehmerische und kaufmännische Wissen für die Unternehmensführung?
  • Wie hoch ist die Belastbarkeit des Antragstellers?
  • Benötigt der Gründer Unterstützung bei familiären Aspekten wie beispielsweise bei der Kinderbetreuung?
  • Wie hoch ist die tatsächliche Motivation des Antragstellers, ein Unternehmen zu gründen? Ist der Businessplan gut durchdacht und realistisch kalkuliert?

Je aussagekräftiger die Unterlagen hier sind, desto eher wird der Sachbearbeiter ein positives Feedback zur Eignungsprüfung des Antragstellers abgegeben und die Chancen auf die Bewilligung von Einstiegsgeld steigen.

 

Berechnung der Höhe des Einstiegsgeldes

Bei der Berechnung der Höhe des Einstiegsgeldes wird unterschieden zwischen der einzelfallbezogenen Bemessung (§ 1 ESGV) und der Pauschalisierung des Einstiegsgeldes (§ 2 ESGV).

Einzelfallbezogene Bemessung

Bei dieser Variante bekommen Bezieher von Arbeitslosengeld II 50 Prozent des Regelbetrages als Einstiegsgeld ausgezahlt. Für jede Person, die mit dem Antragsteller in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, werden zusätzlich zehn Prozent erhoben. Ist der Antragsteller bereits über einen langen Zeitraum arbeitslos (mindestens zwei Jahre vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit), kann das Einstiegsgeld um weitere 20 Prozent erhöht werden. Auch wenn der Gründer aufgrund besonderer Umstände nur schwer in den Arbeitsmarkt zu integrieren ist und zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits mindestens sechs Monate arbeitslos war, können die zusätzlichen 20 Prozent zum Einstiegsgeld genehmigt werden. Die Förderung wird in der Regel für sechs Monate bewilligt und kann danach auf maximal 24 Monate verlängert werden.

Pauschalisierung des Einstiegsgeldes

Die Pauschalisierung des Einstiegsgeldes ist für Personen vorgesehen, die aufgrund besonderer Umstände sowie anhaltender Hilfebedürftigkeit über einen langen Zeitraum arbeitslos sind. Wird der Antrag auf Einstiegsgeld bewilligt, erhalten diese Personen 75 Prozent des Regelbedarfs von Arbeitslosengeld II.

 

Arbeitslosengeld für Selbständige auch noch nach der Gründung?

In der Anfangsphase der Unternehmensgründung erhalten Sie zusätzlich zu dem bewilligten Fördermittel weiterhin Arbeitslosengeld. Mit der Fortzahlung des Arbeitslosengeldes und dem Ergänzungsbetrag (Existenzgründungszuschuss oder Einstiegsgeld) soll sichergestellt werden, dass Gründer in der Anfangsphase der Firmengründung finanziell abgesichert sind. Die Förderung wird jedoch nur für sechs Monate bewilligt und kann maximal auf 24 Monate verlängert werden. Der finanzielle Zuschuss muss nicht zurückgezahlt werden und ist steuerfrei. Solange Arbeitslosengeld I oder II bezogen wird, ist der Arbeitslosengeldempfänger weiterhin gesetzlich krankenversichert und auch die Beiträge an die Pflege- und Rentenversicherung werden weiterhin durch das Arbeitsamt abgedeckt.

Welche Fördermöglichkeiten es für angehende Unternehmer außer dem Gründungszuschuss noch gibt, erfahren Sie in unserem Artikel zu den Möglichkeiten der Unternehmensförderung.

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