Mit Daten und Technologie die Welt verbessern: Wladimir Nikoluk im Interview

aktualisiert am 20. Oktober 2023 10 Minuten zu lesen
Hero Icon

Oxford, Harvard, UN, McKinsey, Global Shapers – Wladimir Nikoluk hat mit 27 Jahren bereits eine beeindruckende Karriere hinter sich. Jetzt im Interview mit firma.de.

 

Mit seinem Startup ImmerLearn hat Wladimir Nikoluk Großes vor: die jährliche humanitäre und Entwicklungshilfe in Höhe von 450 Milliarden Dollar international effektiver einzusetzen. Wie die Idee zu ImmerLearn entstanden ist, was Donald Trump damit zu tun hat, wieso die geplante Gründung ohne firma.de fast geplatzt wäre, erzählt Nikoluk im Interview.

firma.de: Die Stationen Ihres Lebenslaufs sind beeindruckend: University of Oxford, Harvard Kennedy School, United Nations, McKinsey. Sie engagieren sich zudem in der Global Shapers Community des World Economic Forums. Wie ist die Idee für Ihr eigenes Unternehmen entstanden?

Nikoluk: Durch die verschiedenen Stationen in meinem Leben habe ich gesehen, dass sehr viele Ressourcen investiert werden, um gesellschaftliche Probleme zu lösen – allerdings auf ineffektive Weise. Gleichzeitig gibt es spannende Technologien, die es möglich machen, die Wirkung der Investitionen besser zu messen. Die Idee kam Anfang 2017, vor allem getrieben durch die politischen Erfahrungen, die wir 2016 gemacht haben – auf der einen Seite die Wahl in den USA und auf der anderen Seite der Brexit. Das war für mich ein Zeichen dafür, dass viele Menschen das Gefühl haben, dass ihre Bedarfe nicht adressiert werden.Wladimir Nikoluk

Was hat Sie motiviert, daraus ein Unternehmen zu machen?

Die Gründung von ImmerLearn erfolgte aus der Einsicht, dass es noch kein Unternehmen gibt, das sich auf die Kombination aus Wirkungsmessung und neuen Technologien wie künstliche Intelligenz konzentriert. Also haben wir uns entschieden, ein Team für diese Mission zu bilden. Unser Ziel ist es, die Bedarfe von Menschen besser zu verstehen und anschließend dafür zu sorgen, dass wir soziale Programme so strukturieren, dass sie diese Bedarfe effektiv adressieren.

Interessant: Die Idee ist quasi, mit Hilfe von Datenanalyse und künstlicher Intelligenz, gesellschaftliche Probleme zu lösen und einen größeren Social Impact zu erzielen. An welchen konkreten Projekten arbeiten Sie aktuell?

Ein Projekt, an dem wir gerade arbeiten, ist das Programm einer Stiftung mit dem Ziel, dass mehr Mädchen und Frauen Fächer wie Mathematik und Naturwissenschaften studieren. Das Programm fördert Mädchen ab der 7. Klasse seit mittlerweile acht Jahren und wollte nun gerne wissen, ob eine Wirkung erzielt wurde. Wir helfen der Stiftung, eine große Datenbank aufzubauen und mit Hilfe einer Kontrollgruppe zu ermitteln, wie groß der Impact des Programms insgesamt war. Zudem nutzen wir Machine Learning-Technologien, um zu verstehen, welche Module – wie z.B. Nachhilfeunterricht oder Bildungsreisen – die größte Wirkung haben und wo die Stiftung das Geld evtl. auch besser investieren könnte.

Ein anderes Beispiel ist ein Projekt mit einer NGO, die daran interessiert ist, den Zugang zu Energie und Elektrizität zu verbessern. Wir nutzen Satellitenbilder von der Region während der Nacht und trainieren einen Algorithmus, der automatisch die Helligkeit der einzelnen Punkte registriert und schauen dann, ob sich diese Helligkeit ändert. Die Idee ist: sobald eine Region Zugang zu Elektrizität hat, wird natürlich die Helligkeit größer. So kann man tracken, ob die Investition in diesem Bereich effektiv war.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Ich bin gleichzeitig Student in Harvard und Geschäftsführer von ImmerLearn. Deswegen teilt sich mein Alltag gerade zwischen sehr spannenden Vorlesungen und der konzeptionellen und spannenden Arbeit bei ImmerLearn. Das Wissen aus meinem Studium im Fach Public Policy kommt ImmerLearn zugute. Wir stellen uns immer die Frage: Wie können wir das Wissen so einsetzen, dass es die Probleme in der praktischen Realität löst.

Wie ist der aktuelle Stand bei ImmerLearn?

Das Team umfasst ca. 9 Mitarbeiter. Wir sind aufgeteilt zwischen Harvard, also Cambridge in den USA, dann Oxford in England und Berlin. Im Moment konzentrieren wir uns auf den sozialen Sektor und sprechen mit vielen Organisationen in verschiedenen Ländern. Dabei geht es viel um Beratung und die Entwicklung von individuellen Algorithmen. Mittelfristig ist die Vision, dass wir zusätzlich Produkte entwickeln, die Probleme lösen, die alle Organisationen gemeinsam haben. Dann soll es eine Art Plattform geben, auf der Klienten sich registrieren, ihre Daten eingeben und ihre Wirkungsanalyse in hohem Maße automatisiert durch das System übernommen wird. Mit dem Forschen an Technologien bewegen wir uns auch im akademischen Bereich, veröffentlichen Forschung und stellen diese auf Konferenzen vor.

Sie haben große Ambitionen, doch der erste Schritt ist wie bei jedem Unternehmen die Gründung. Warum lief diese bei Ihnen anders als gedacht?

Nach intensiver Ideenentwicklung und Vorbereitung hatten wir die Gründung für den 9. Januar dieses Jahres geplant. Leider ist uns kurzfristig der Notar ausgefallen und wir brauchten ganz schnell Ersatz. Dr. Benjamin Werthmann, der als Rechtsanwalt mit firma.de kooperiert, hat uns mithilfe von firma.de in einer unglaublich kurzen Zeit einen Notar organisiert. Der Notar hat sich sofort in die komplizierte Holding-Struktur von ImmerLearn eingearbeitet hat. Wir waren sehr beeindruckt von der Qualität der Unterstützung, die wir durch Benjamin und firma.de erfahren haben. Von der Vorstellung über die Terminkoordination bis zur Auswahl des richtigen Notars – das hat alle Erwartungen übertroffen.

Also hat es noch am gleichen Tag mit dem Notartermin geklappt?

Mein Mitgründer und ich haben Benjamin morgens gegen 9 Uhr kontaktiert. Um 14:30 Uhr saßen wir beim Notar und sind die Dokumente durchgegangen.

Das Team von ImmerLearn bewegt sich ja zwischen USA, UK und Deutschland. Weshalb haben Sie sich dazu entschieden, in Deutschland zu gründen?

Es spielt eine Rolle, dass ich in Deutschland aufgewachsen bin und in meiner Karriere von verschiedenen Stiftungen in Deutschland stark gefördert wurde. Wir bauen eine hoffentlich sehr erfolgreiche technologisch-ökonomisch fortgeschrittene Firma auf und davon haben wir nicht genug in Deutschland. Natürlich wollen wir viele hochbezahlte, gute Jobs schaffen, damit wir auch ein bisschen von der Förderung, die ich erhalten habe und von der auch die Firma profitiert, zurückgeben.

Sie haben im Ausland gelebt und gearbeitet. Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen für Start-ups und Gründungen in Deutschland?

Ich bin ein starker Verfechter der Idee, dass Unternehmer gesellschaftliche Verantwortung übernehmen müssen und durch Abgaben einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung ihrer Mitarbeiter als auch der weiteren Gesellschaft leisten sollten. Gleichzeitig wäre es vor allem für junge Unternehmen eine große Hilfe, wenn zumindest am Anfang bestimmte Steuererleichterungen existieren würden, die den Aufbau des Unternehmens fördern.

Die Gründungsbürokratie ist ein anderes Beispiel, wo man Hindernisse abbauen könnte. Die Rechtsform UG ist ein Schritt in die richtige Richtung, indem sie erlaubt, ohne viel Kapital, eine juristische Struktur aufzusetzen. Aber insgesamt, wenn man jetzt verschiedene Elemente wie Holding-Strukturen und Vesting-Regeln betrachtet, dann sind wir beim Thema juristische Innovation auf jeden Fall noch hinter den USA und England, wo solche Modelle viel einfacher umzusetzen sind.

Das sehen wir bei firma.de ähnlich. Wir koordinieren nicht nur die Gründungsbürokratie, sondern arbeiten stetig an dem Ausbau eines Gründerökosystems aus Banken, Anwälten, Steuerberatern und Notaren. Wie wichtig ist der Zugang zu einem solchen Netzwerk für Gründer?

Ich glaube, das ist sehr wichtig. Vor allem für Gründer, die zum ersten Mal gründen, denn dann weiß man nicht genau, wo man anfangen soll. Aus meiner Sicht ist ein Komplettpaket, das vor allem bei der Schaffung der juristischen Strukturen hilft, sehr spannend.

Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie ImmerLearn in fünf Jahren?

In fünf Jahren sind wir ein international operierendes Unternehmen mit etwa 100 Mitarbeitern und haben eine Reihe von Klienten im öffentlichen, sozialen und finanziellen Sektor. Wir sind das Unternehmen, an das alle denken, wenn es um angewandte künstliche Intelligenz für den öffentlichen sowie sozialen Sektor und Wirkungsmessung geht. Das wichtigste ist, dass wir erfolgreich dazu beitragen, dass zumindest ein Teil der jährlich 450 Milliarden Dollar, die für humanitäre Hilfe und Entwicklungszwecke investiert werden, signifikant effektiver eingesetzt werden als zuvor.

Foto: Wladimir Nikoluk

Jetzt weiterstöbern im Ratgeber!