Diskriminierung am Arbeitsplatz verhindern: Tipps für Arbeitgeber

Seit über zehn Jahren gilt in Deutschland das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Arbeitnehmer vor Diskriminierungen schützt. Als Arbeitgeber sollten Sie seine Bestimmungen nicht nur kennen, sondern proaktiv handeln, um Diskriminierung in Ihrem Unternehmen zu vermeiden.

 

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Gleichbehandlungsgesetz: Was gilt als Diskriminierung?

Das AGG gilt grundsätzlich für alle in privaten Unternehmen beschäftigten Personen. Durch sein Inkrafttreten wurden die EU-Vorgaben zur Antidiskriminierung in deutsches Recht umgesetzt. Es regelt die Rechtsfolgen von Diskriminierung am Arbeitsplatz, unter der Voraussetzung, dass die Benachteiligung eine der folgenden Personengruppen betrifft und sich auf eines dieser sechs persönlichen Merkmale bezieht:

Benachteiligung basierend auf Geschützte Personengruppen
  • Rasse oder ethnische Herkunft (Volksgruppe, Hautfarbe, Sprache)
  • Sexuelle Identität (Trans- oder Homosexualität)
  • Geschlecht
  • Religion oder Weltanschauung
  • Behinderung
  • Alter
  • Bewerber/innen
  • Fest angestellte Mitarbeiter/innen
  • Leiharbeiter/innen
  • Auszubildende
  • Heimarbeiter/innen
  • Ehemalige Mitarbeiter/innen

Welche körperliche Beeinträchtigung stellt eine Behinderung im Sinne des AGG dar?

Eine Diskriminierung am Arbeitsplatz wegen einer Behinderung liegt vor, wenn der Betroffene aufgrund einer Einschränkung seiner körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit benachteiligt wird. Dabei muss die Einschränkung über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten bestehen und zu einer Beschränkung der Teilnahme am beruflichen oder gesellschaftlichen Leben führen.

Die Rechtsprechung erkennt zum Beispiel eine Infektion mit dem HIV-Virus als diskriminierungsrelevante Behinderung an. So musste ein Arzneimittelhersteller, der einem HIV-infizierten Mitarbeiter in der Probezeit gekündigt hatte, Schadensersatz wegen Diskriminierung zahlen (BAG-Urteil vom 19.12.2013, Az. 6 AZR 190/12). Mit dem Urteil widersprach das Bundesarbeitsgericht den Vorinstanzen.

 

Für welche Unternehmen gilt das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz?

Die Vorschriften des AGG kommen in allen Betrieben zur Anwendung, vollkommen unabhängig von ihrer Größe oder Rechtsform. Dementsprechend sind sogar Inhaber von Kleinbetrieben mit nur wenigen Angestellten verpflichtet, die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten und Diskriminierung am Arbeitsplatz aktiv zu bekämpfen.

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Welche Pflichten haben Arbeitgeber, um Diskriminierung zu vermeiden?

Als Arbeitgeber sind Sie dazu verpflichtet, die Einhaltung des Gleichstellungsgesetzes zu gewährleisten. Das AGG schreibt Ihnen sowohl Handlungs- als auch Unterlassungspflichten vor. Das heißt, Sie müssen in zwei Bereichen aktiv gegen Diskriminierung handeln:

  1. Ihre eigenen Handlungen müssen so gestaltet sein, dass Sie keinen Arbeitnehmer in Bezug auf die im Gesetz aufgeführten Merkmale benachteiligen.
  2. Sie müssen sicherstellen, dass Ihre Angestellten keine Verstöße gegen das Gleichbehandlungsgesetz begehen.

Eine Diskriminierung am Arbeitsplatz kann jedoch auch durch Dritte erfolgen, wie zum Beispiel durch Lieferanten oder Kunden. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn Spediteure beim Abholen von Ware ausländerfeindliche Bemerkungen in Anwesenheit von Arbeitnehmern machen.

Auch hier steht der Arbeitgeber in der Pflicht, seine Angestellten vor Benachteiligung und Diskriminierung am Arbeitsplatz schützen. Zu diesem Zweck kann es beispielsweise erforderlich sein, Ermahnungen auszusprechen, Lieferverträge zu kündigen oder sogar Hausverbote zu erteilen.

 

In welchen Bereichen müssen Arbeitgeber Diskriminierung entgegenwirken?

Prinzipiell sollten Sie bei allen Entscheidungen, Veröffentlichungen und anderen Handlungen, die sich auf Ihr Personal beziehen, die Vorschriften des AGG im Hinterkopf behalten. Besonders häufig kommt es zu Verstößen in den folgenden Fällen:

  • Einstellung neuer Mitarbeiter
  • Gestaltung von Arbeitsbedingungen
  • Beförderungen und Kündigungen
  • Berufsausbildung, Fort- und Weiterbildung
  • Engagement in Gewerkschaft oder Betriebsrat

 

Diskriminierung bei der Bewerbung

Wenn Sie neue Mitarbeiter einstellen, sollten Sie schon bei der Formulierung des Anforderungsprofils und der Stellenanzeige darauf achten, keine Personengruppe zu benachteiligen. Um dies zu erreichen, sollten Sie zu besetzende Positionen grundsätzlich geschlechts- und altersneutral ausschreiben.

Während des Bewerbungsverfahrens ist darauf zu achten, dass Sie keinen Bewerber aufgrund der sechs oben aufgeführten, potentiellen Diskriminierungsmerkmale benachteiligen. Deshalb sind im Vorstellungsgespräch beispielsweise Fragen zur Familienplanung oder sexuellen Orientierung unzulässig. Außerdem sind Fragen zu Religionszugehörigkeit, der politischen Einstellung oder altersbedingten Einschränkungen tabu.

Diskriminierung im Arbeitsalltag

Als Arbeitgeber müssen Sie darauf achten, dass es im Arbeitsumfeld Ihrer Mitarbeiter zu keinerlei Diskriminierungen kommt. Um dies sicherzustellen, nutzen viele Unternehmen einen Verhaltenskodex, dem sich alle Angestellten verpflichten müssen. Dieser dient allen Kollegen als Leitfaden für ihr Verhalten im Betrieb.

Diskriminierung bei Lohn, Gehalt und Zulagen

Bei Vergütungsregelungen, insbesondere Sondervergütungen, wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld sowie Boni kommt es häufig zu Verstößen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Lohn- und Gehaltserhöhungen müssen diskriminierungsfrei durchgeführt werden. Leider zeigen Statistiken immer wieder, dass gerade zwischen den Geschlechtern eine große Einkommenslücke von ca. 14 % klafft (Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 2016). Krankheitsausfällen oder Arbeitsunfähigkeit sind ebenfalls häufige Ursachen für Benachteiligung beim Thema Vergütung. Als Chef oder Chefin müssen Sie auch den Mitarbeitern eine Gehaltserhöhung gewähren, die aufgrund einer Erkrankung längere Zeit arbeitsunfähig waren. Die Krankheit stellt keinen Sachgrund dar, der eine Ungleichbehandlung rechtfertigt.

Es ist weiterhin unzulässig, “sachfremde” Gruppen zu bilden und diese zu bevor- oder benachteiligen. Wer zum Beispiel nur den Mitarbeitern über 50 Jahren Boni zahlt, unabhängig von Tätigkeit oder Leistung, diskriminiert eindeutig den restlichen Stab.

Diskriminierung wegen Mitgliedschaft in Gewerkschaft

Diskriminierende Entscheidungen treffen Arbeitgeber häufig dann, wenn Sie sich von Mitarbeitern persönlich attackiert oder untergraben fühlen. Aber auch unliebsame Mitglieder einer Gewerkschaft oder des eigenen Betriebsrates dürfen zum Beispiel bei Sonderzahlungen oder einer anstehenden Beförderung nicht übergangen werden.

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Was zählt als „mittelbare Diskriminierung” am Arbeitsplatz?

Diskriminierung geschieht oft unterbewusst oder sogar unbeabsichtigt. Trotzdem kann eine indirekte Benachteiligung als sogenannter mittelbarer Akt der Diskriminierung gewertet werden. Dazu zählen alle Maßnahmen, Handlungen oder Weisungen, die auf den ersten Blick neutral erscheinen ohne sich gegen eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern zu richten, aber gleichzeitig in ihrer Umsetzung eine eindeutige Benachteiligung darstellen.

Beispiele für mittelbare Benachteiligung:

Eine Fortbildungsmaßnahme an einem Samstag kann als Benachteiligung der Mitarbeiter des jüdischen Glaubens darstellen: Viele praktizierende Juden verrichten am Ruhetag Sabbat keine Arbeit getreu der Sabbatgebote.

Die Einführung einer Kernzeit für alle Mitarbeiter benachteiligt Teilzeitkräfte, die ihren Arbeitsbeginn und ihr Arbeitsende zuvor eigenständig festlegen konnten.

 

In welchen Fällen ist eine Ungleichbehandlung zulässig?

Die Vorschriften des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes müssen nicht angewendet werden, wenn ein Grund für eine Ausnahme besteht. Allerdings sind die Anforderungen für eine legitime Nichtgleichbehandlung sehr hoch.

Entscheidung ist von wesentlicher und entscheidender Bedeutung für die jeweilige Tätigkeit

  • Unverzichtbare berufliche Qualifikationen (Sprachtest)
  • Höchstalter für Bewerber bei Berufen mit besonderer körperlicher Belastung
  • Zweck der Beschäftigung muss geltendem Recht entsprechen
  • Umfang der Benachteiligung ist angemessen und verfolgt ein legitimes Ziel
  • Positive Maßnahme (Bevorzugung von Frauen bei der Stellenbesetzung)

Die Verweigerung einer Einstellung oder der Beförderung innerhalb des Unternehmens aufgrund fehlender körperlicher oder geistiger Eignung stellt keine Diskriminierung dar. Für alle Ungleichbehandlungen gilt jedoch, dass Arbeitgeber eine plausible Begründung nachvollziehbar darstellen und gegebenenfalls mit Nachweisen belegen müssen.

Beispiele für zulässige Ungleichbehandlung

  • Opernhaus richtet Stellenbeschreibung ausschließlich an männliche Sänger für die Besetzung von Bass-Rollen
  • Mitarbeitersuche beschränkt sich auf Bewerber mit nachweislicher Berufserfahrung
  • Beratungsstellen für Mädchen besetzt freie stellen ausschließlich mit Frauen
  • Katholischer Kindergarten entlässt Mitarbeiter, nachdem er aus der Kirche ausgetreten ist
  • Fluggesellschaft definiert Höchstalter für Tätigkeit als Pilot

Ungleichbehandlung, um eine grundsätzliche Benachteiligung auszugleichen, ist außerdem zulässig. So haben Arbeitgeber beispielsweise das Recht, weibliche Beschäftige im Rahmen von Frauenförderungsprogrammen bei der Beförderung oder auch der Zulassung zu Fortbildungen zu bevorzugen. Diese Ausnahmen gelten auch für Begünstigungen von Angestellten mit Behinderungen.

Für Arbeitgeber ist die Abwägung der Sachgründe immer komplex und muss mit Sorgfalt für den jeweiligen Einzelfall stattfinden.

 

Welche Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen das AGG?

Wenn Sie als Arbeitgeber nicht dafür sorgen, dass die Vorschriften des Antidiskriminierungsgesetzes eingehalten werden, haben Arbeitnehmer das Recht, ihre Leistung zu verweigern und Schadenersatz zu verlangen. Außerdem nimmt das Betriebsklima oft erheblichen Schaden, wenn es in Ihrem Unternehmen zu wiederholter Diskriminierung am Arbeitsplatz kommt. Dies kann sich negativ auf die Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer und damit auf die gesamte Produktivität auswirken. Nicht zuletzt leidet der Ruf eines Unternehmens, wenn diskriminierende Benachteiligungen bekannt werden.

 

Wie muss der Arbeitgeber auf diskriminierende Handlungen der Mitarbeiter reagieren?

Diskriminierung am Arbeitsplatz dürfen Sie nicht dulden. Als Arbeitgeber sind Sie verpflichtet, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wenn Mitarbeiter gegen das Gleichstellungsgesetz verstoßen. Dabei stehen Ihnen in Abhängigkeit von Ausmaß und Tragweite des diskriminierenden Verhaltens folgende arbeitsrechtlichen Maßnahmen zur Verfügung:

  • Versetzung
  • Abmahnung
  • Ordentliche Kündigung
  • Außerordentliche Kündigung

Bei deren Anwendung ist stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

Nach § 13 AGG haben Arbeitnehmer bei einer Diskriminierung am Arbeitsplatz ein Beschwerderecht bei einer dafür zuständigen Stellen. Gerade in größeren Unternehmen sollte zu diesem Zweck eine konkrete Anlaufstelle eingerichtet werden und jeden Mitarbeiter darüber zu informieren. Im Idealfall haben Kollegen die Möglichkeit, sich auf Wunsch auch anonym an diese Stelle zu wenden. Durch diese oder ähnliche Maßnahmen können Sie Betroffene unterstützen und ein präventiv ein starkes Zeichen an (potentielle) Täter setzen.

 

Welche Rechte haben Arbeitnehmer bei Diskriminierung am Arbeitsplatz?

Beschäftigten stehen bei einer diskriminierenden Benachteiligung verschiedene Handlungsmöglichkeiten offen. Welche der folgenden Optionen zur Verfügung stehen, hängt von der Art und dem Ausmaß der Diskriminierung am Arbeitsplatz ab.

Beschwerderecht

Als Betroffener haben Mitarbeiter das Beschwerderecht bei den zuständigen Stellen (§ 13 AGG). Adressat dieser Beschwerde ist der Betriebsrat oder die Personalvertretung, falls vorhanden. Alternativ muss der Arbeitgeber eine entsprechende Beschwerdestelle einrichten, indem er einzelne Angestellte oder eine Abteilung mit dieser Aufgabe betraut. Wer sich diskriminiert fühlt, muss sich ohne Angst vor einer weiteren Benachteiligung an diese Einrichtung wenden können. Nach der Meldung muss die Beschwerdestelle der Sache nachgegangen werden und dem Betroffenen das Ergebnis ihrer Untersuchung anschließend mitteilen. Liegt tatsächlich ein Fall von Diskriminierung am Arbeitsplatz vor, ist der Arbeitgeber zu informieren. Er oder sie muss die Ursache der Benachteiligung abstellen.

Leistungsverweigerungsrecht

Reagiert der Arbeitgeber auf eine ihm bekannt gewordene Diskriminierung am Arbeitsplatz nicht angemessen, hat der Betroffene unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung zu verweigern. Diese sind erfüllt, wenn die Würde des betroffenen Arbeitnehmers verletzt wird und ein Umfeld entsteht, in dem die folgenden negativen Einflüsse herrschen (§ 3 Abs. 3 AGG):

  • Einschüchterungen
  • Anfeindungen
  • Erniedrigungen
  • Entwürdigungen
  • Beleidigungen
  • Belästigung

Mobbing im Arbeitsumfeld stellt eine besonders häufige und gravierende Form der Belästigung dar, die Auslöser einer akuten psychischen Belastung werden kann. Dies ist zum Beispiel gegeben, wenn Mitarbeiter sich über einen Kollegen wegen eines Sprachfehlers oder aufgrund deren Hautfarbe lustig machen. Ein Leistungsverweigerungsrecht besteht außerdem, wenn ein Arbeitnehmer von sexuellen Belästigungen betroffen ist (§ 3 Abs. 4 AGG).

Betroffene Angestellte üben ihr Leistungsverweigerungsrecht aus, indem sie ihrem Arbeitsplatz fernbleiben. Trotzdem behalten sie das Recht auf Vergütung.

Schadensersatzansprüche

Opfer von Diskriminierung am Arbeitsplatz haben oft die Möglichkeit, Schadenersatzansprüche gegenüber ihrem Arbeitgeber geltend zu machen (§ 15 AGG). Hat der Arbeitgeber die Benachteiligung zu vertreten (d. h. Arbeitgeber hat selbst diskriminiert), besteht ein Anspruch auf Ersatz des entstandenen materiellen Schadens (Lohnausfall). Darüber hinaus kann auch ein Ausgleich für immaterielle Schädigungen (Schmerzensgeld) verlangt werden. Dieses Recht auf Schadenersatz gilt selbst in den Fällen, in denen der Arbeitgeber die Diskriminierung am Arbeitsplatz nicht zu vertreten hat, d. h. die Diskriminierung von Mitarbeitern verursacht wurde, der Arbeitgeber aber Gegenmaßnahmen unterlassen hat.

Beispiel: Wenn Bewerber aufgrund einer nachgewiesenen Diskriminierung nicht eingestellt werden, haben sie einen Schadenersatzanspruch von maximal drei Monatsgehältern der ausgeschriebenen Stelle.

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