Verhaltensbedingte Kündigung: Was Sie als Arbeitgeber wissen sollten

aktualisiert am 20. Oktober 2023 16 Minuten zu lesen
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Wenn ein Arbeitnehmer gegen seine Arbeitspflichten verstößt, kann der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. Welche Voraussetzungen hierfür erfüllt sein müssen und wann eine solche Kündigung rechtens ist, erfahren Sie in diesem Artikel.

 

Was ist eine verhaltensbedingte Kündigung?

Laut Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gibt es drei Formen der Kündigung von Personen mit Kündigungsschutz:

Eine Kündigung gilt als verhaltensbedingt, wenn Sie einem Mitarbeiter kündigen, nachdem dieser seine arbeitsrechtlichen Pflichten verletzt hat und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für Sie deshalb nicht mehr zumutbar ist.

Wichtig: Eine verhaltensbedingte Kündigung ist nicht als Sanktion vorangegangenen Fehlverhaltens zu verstehen. Vielmehr soll sie weiteren Verstöße gegen die Arbeitspflichten verhindern. Deshalb ist eine negative Zukunftsprognose eine Voraussetzung für eine wirksame Kündigung.

Die Pflichtverletzung muss außerdem Folge eines steuerbaren Verhaltens seitens des Arbeitnehmers sein, zum Beispiel bei Diebstahl, Beleidigungen von Vorgesetzten, sexuelle Belästigung etc. Wenn dieser sein Fehlverhalten nicht steuern konnte (z. B. bei Kleptomanie, Alkoholsucht o.ä.), kommt eine verhaltensbedingte Kündigung nicht in Betracht. Möglicherweise besteht in diesem Fall die Option einer personenbedingten Kündigung. Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob die Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung in Ihrem konkreten Fall erfüllt sind, wenden Sie sich an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.

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Welche Voraussetzungen gelten für eine verhaltensbedingten Kündigung?

  1.  Es liegt eine Arbeitspflichtverletzung vor.
  2. Die Arbeitspflichtverletzung kann dem Arbeitnehmer vorgeworfen werden.
  3. Die Zukunftsprognose ist negativ, zum Beispiel weil eine vorausgegangene Abmahnung keine Wirkung gezeigt hat.
  4. Die Interessensabwägung fällt zu Gunsten des Arbeitgebers aus.

 

Welche Pflichtverletzungen erlauben eine verhaltensbedingte Kündigung?

Jeder Arbeitnehmer hat Haupt- und Nebenpflichten gegenüber seinem Arbeitgeber. Eine Verletzung dieser Pflichten kann sehr unterschiedlich aussehen:

Hinweis: Im Fall von Minderleistungen ist genau zu prüfen, ob es sich hierbei um gewolltes Fehlverhalten handelt. Nur wenn der Arbeitnehmer deutlich unter dem Niveau gleich qualifizierter Kollegen arbeitet, obwohl er oder sie dazu imstande wäre, das gleiche Niveau zu erreichen, kann er verhaltensbedingt gekündigt werden. Kann er jedoch zum Beispiel aufgrund mangelnder Qualifikationen oder krankheitsbedingt nicht besser arbeiten kann, sind Sie als Arbeitgeber dazu verpflichtet, einen anderen Maßstab anzusetzen und dürfen den Betroffenen nicht verhaltensbedingt kündigen.

 

Wann kann einem Mitarbeiter Arbeitspflichtverletzung vorgeworfen werden?

Immer wenn Sie annehmen, dass eine Arbeitspflichtverletzung vorsätzlich oder mindestens fahrlässig begangen wurde, kann sie dem Arbeitnehmer zur Last gelegt werden. Vorsätzliches Handeln bedeutet, dass eine Tat wissentlich und willentlich verübt wurde oder wenn mögliche Folgen zwar bekannt sind, diese aber in Kauf genommen werden. Mit fahrlässigem Handeln ist unvorsichtiges Handeln gemeint.

Nur wenn der Angestellte konkret nachweisen kann, dass es sich bei der Pflichtverletzung um ein entschuldbares oder gerechtfertigtes Verhalten handelt, sind Sie als Arbeitgeber in der Pflicht, diese Beweise zu entkräften. Ansonsten ist die verhaltensbedingte Kündigung nicht rechtmäßig. Ein solcher Nachweis ist in der Regel jedoch unmöglich zu erbringen, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen.

Beispiel 1

Sie sprechen eine verhaltensbedingte Kündigung aus, weil ein Arbeitnehmer seinem Arbeitsplatz ferngeblieben ist. Dieser legt jedoch ein ärztliches Attest vor, aus dem hervorgeht, dass er während seiner Fehlzeit arbeitsunfähig war. Die Kündigung wäre in diesem Fall nur dann rechtmäßig, wenn Sie als Arbeitgeber nachweisen, dass die Arbeitsunfähigkeit nicht bestanden hat, sondern zu Unrecht festgestellt wurde.

Beispiel 2

Sie kündigen einem Arbeitnehmer, weil dieser einen wichtigen Geschäftstermin im Ausland verpasst hat. Ihr Mitarbeiter behauptet, dass er den Termin nicht wahrnehmen konnte, weil die Flugverbindungen streik- oder witterungsbedingt ausgefallen waren und es keine alternative Reisemöglichkeit gab, mit der er den Termin noch rechtzeitig hätte erreichen können. Nur wenn Sie das Gegenteil beweisen, ist die ausgesprochene Kündigung wirksam.

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Muss vor der verhaltensbedingten Kündigung eine Abmahnung ausgesprochen werden?

Eine Kündigung ist immer das letzte Mittel. Deshalb ist in den meisten Fällen vorher eine Abmahnung erforderlich. Sie gilt als sogenanntes milderes Mittel, das dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben soll, durch Verhaltensänderung seine Arbeitspflichten zu erfüllen und seinen Arbeitsplatz zu behalten. Nur wenn dieses Mittel nicht die gewünschte Wirkung zeigt, können Sie den Betroffenen – unter den oben genannten Voraussetzungen – verhaltensbedingt kündigen.

Hinweis: Nicht jede Ermahnung ist auch gleichzeitig eine Abmahnung im arbeitsrechtlichen Sinne! Letztere liegt nur dann vor, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Das abgemahnte Verhalten muss genau / konkret beschrieben sein (einschließlich Datum und Uhrzeit des Pflichtverstoßes).
  2. Sie müssen das Fehlverhalten ausdrücklich als Verletzung der Arbeitspflichten benennen und den Arbeitnehmer zur Unterlassung dieses Verhaltens auffordern.
  3. Sie müssen explizit darauf hinweisen, dass im Wiederholungsfall des Fehlverhaltens eine Kündigung ausgesprochen werden kann / wird.

Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann auch eine mündlich ausgesprochene Abmahnung rechtswirksam sein. Streitet der Arbeitnehmer jedoch ab, dass die mündliche Abmahnung erfolgt ist, kann es ohne Zeugen schwierig werden, das Gegenteil zu beweisen.

Gibt es Alternativen zur Abmahnung?

Eine weitere Option, ein weiters Fehlverhalten eines Arbeitnehmers zu vermeiden, ist dessen Versetzung. Diese Maßnahme kann sinnvoll sein, wenn die Pflichtverletzung direkt an den Arbeitsplatz oder die dort tätigen Kollegen oder Vorgesetzten gebunden ist und an einer anderen Stelle nicht zu erwarten ist.

Achtung: Für eine Versetzung bedarf es oft einer Änderungskündigung. Das bedeutet, dass der für den bisherigen Arbeitsplatz gültige Arbeitsvertrag beendet und ein neuer Arbeitsvertrag für den zukünftigen Arbeitsplatz (z. B. in einer anderen Abteilung oder Filiale) geschlossen werde muss.

Ist eine verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung möglich?

In Ausnahmefällen können Sie eine verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung aussprechen. Wenn zum Beispiel offensichtlich ist, dass eine Abmahnung nicht den gewünschten Erfolg erzielen wird, weil der betroffene Arbeitnehmer bereits weitere Pflichtverstöße angekündigt hat, kann eine verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung ausgesprochen werden. Eine verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung ist auch bei schweren Pflichtverletzungen möglich, zum Beispiel bei Betrug, Diebstahl oder anderen Straftaten.

Ordentliche oder außerordentliche Kündigung?

In Fällen, in denen eine verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung möglich ist, ist meist auch eine außerordentliche und fristlose Kündigung zulässig. Sie unterscheidet sich von der ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung vor allem in der Schwere des Fehlverhaltens. Wenn das Fehlverhalten des Arbeitnehmers so schwer ist, dass es für Sie als Arbeitgeber unzumutbar ist, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen, dürfen Sie eine fristlose Kündigung aussprechen. Ansonsten gilt für die verhaltensbedingte Kündigung die gesetzliche Kündigungsfrist gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch (§ 622 BGB) oder dem entsprechenden Arbeitsvertrag.

Tipp: Wenn Sie sich als Arbeitgeber nicht sicher sind, ob eine verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung im konkreten Einzelfall möglich ist, holen Sie sich professionellen Rat bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er wird Ihnen die Möglichkeiten für eine verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung aufzeigen und einschätzen können, ob in Ihrem konkreten Fall eine verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung möglich beziehungsweise rechtmäßig ist. Denn wenn Sie unberechtigterweise eine verhaltensbedingte Kündigung ohne Abmahnung aussprechen, ist eine darauf folgende Kündigungsschutzklage und deren Erfolgsaussichten sehr wahrscheinlich.

Eine Kündigung ist in folgenden Fällen einer Abmahnung vorzuziehen:

  1. Die Pflichtverletzung hat erhebliche negative betriebliche Auswirkungen.
  2. Die betrieblichen Vorschriften wurden nachhaltig verletzt.
  3. Die Wahrscheinlichkeit für ein erneutes Fehlverhalten ist groß.

Treffen Sie diese Entscheidung nicht vorschnell! Arbeitsgerichte verlangen von Arbeitgebern, dass diese sämtliche relevanten sachverhaltsbezogenen Gründe in Ihre Abwägung einfließen lassen und besonnen urteilen.

Wie funktioniert eine faire Interessenabwägung?

Bei der Entscheidung, ob die verhaltensbedingte Kündigung mit oder ohne Abmahnung erfolgt, sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, die eigenen Interessen und die des Mitarbeiters gegeneinander abzuwägen. Dabei sind alle relevanten Aspekte zu berücksichtigen.

Berücksichtigen Sie dabei folgende Aspekte:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit: Wie lange ist der Mitarbeiter bereits bei Ihnen beschäftigt?
  • Dauer der störungsfreien Arbeit: Wie lange hat der Arbeitnehmer bei Ihnen gearbeitet, ohne dass es zu Pflichtverletzungen gekommen ist?
  • Schwere und Auswirkungen der Pflichtverletzung: Wie häufig und wie schwer waren die Verstöße gegen die Arbeitspflichten und welche Folgen hatten sie?
  • Verschuldungsgrad: Wie viel Schuld trifft den Mitarbeiter? Gibt es eine Mitschuld Ihrerseits (als Arbeitgeber)?
  • Wiederholungsgefahr: Wie groß ist das Risiko, dass sich das Fehlverhalten wiederholt?
  • Persönliche Situation des Arbeitnehmers: Befindet sich der Mitarbeiter in einer persönlichen Zwangslage? Hat er Unterhaltspflichten zu erfüllen?
  • Besondere Schutzbedürftigkeit: Gilt der Arbeitnehmer aus irgendwelchen Gründen als besonders schutzbedürftig, zum Beispiel aufgrund einer Schwerbehinderung?
  • Alter des Mitarbeiters
  • Lage auf dem Arbeitsmarkt

 

Verhaltensbedingte Kündigung: Kündigungsfrist

Eine verhaltensbedingte Kündigung kann je nach Ausmaß und Konsequenzen des Fehlverhaltens entweder ordentlich mit Kündigungsfrist oder fristlos erfolgen.

Bei einer außerordentlichen Kündigung erfolgt die Entlassung unmittelbar. Bei einer ordentlichen Kündigung gelten die vertraglich vereinbarten Fristen. Falls keine gesonderten Kündigungsfristen im Arbeitsvertrag enthalten sind, gelten die gesetzlichen – wobei die gesetzlichen Kündigungsfristen bei der Kündigung durch den Arbeitgeber nicht unterschritten werden dürfen (Ausnahme: Aushilfen, die nicht mehr als drei Monate beschäftigt wurden, und Kleinbetriebe).

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Wann ist eine verhaltensbedingte Kündigung unwirksam?

Jede ordentliche Kündigung ist unwirksam, wenn Sie vor deren Ausspruch nicht den Betriebsrat (sofern vorhanden) einbezogen haben. Der Betriebsrat muss zu der Kündigung Stellung beziehen. Sollte er der Kündigung widersprechen, müssen Sie den betroffenen Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiter beschäftigen.

Zusätzlich genießen bestimmte Personengruppen einen Sonderkündigungsschutz, weil sie als besonders schutzbedürftig gelten:

  • Schwerbehinderte
  • Schwangere Frauen
  • Mütter nach der Entbindung
  • Mütter / Väter in Elternzeit
  • Personen, die Pflegezeit in Anspruch nehmen
  • Auszubildende
  • Betriebsratsmitglieder

Verhaltensbedingte Kündigungen sind für diese Personengruppen nur in extremen Einzelfällen möglich und an zusätzliche Auflagen geknüpft. Wenn Sie beispielsweise einem schwerbehinderten Arbeitnehmer nach Ablauf der Probezeit kündigen, muss das Integrationsamt dieser Kündigung zustimmen. Der besondere Kündigungsschutz ist jedoch eingeschränkt, wenn die Kündigung Folge des persönlichen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers ist. Wenn dieser das Fehlverhalten trotz Abmahnung(en) nicht abstellt, kann das Integrationsamt der Kündigung nicht mehr widersprechen.

 

Welche Folgen hat eine verhaltensbedingte Kündigung für den Arbeitnehmer?

Wenn einem Mitarbeiter verhaltensbedingt gekündigt wurde, kann dies eine Sperrzeit von zwölf Wochen beim Arbeitslosengeldbezug zur Folge haben. Denn verhaltensbedingte Kündigungen liegen in der Verantwortung des Arbeitnehmers, so die Begründung der Agentur für Arbeit.

Jedem gekündigtem Mitarbeiter steht jedoch die Möglichkeit offen, mit einer Kündigungsschutzklage Widerspruch gegen die verhaltensbedingte Kündigung einzulegen. Hierdurch wird die Sperrzeit für das Arbeitslosengeld zunächst verhindert. Für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage gilt allerdings eine Frist von drei Wochen. Wenn innerhalb dieses Zeitraums keine Klage eingereicht wurde, gilt die Kündigung nach § 7 KSchG als rechtswirksam.

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